Warum Atomstrom keine gute Klima-Idee ist, Heuchelei aber auch nicht hilft

„Brückentechnologie“ & „Miniatomkraftwerke“ als Alternative?

Als ich zu Zwentendorf-Zeiten in meiner Diplomarbeit Vor- und Nachteile der Kernenergie objektiv darstellen wollte, fiel mir auf, dass es weltweit keine Versicherung gibt, die Kernkraftwerke entsprechend versichert. Warum? Weil zwar die Wahrscheinlichkeit eines großen Schadensfalles sehr gering ist, dieser aber nicht ausgeschlossen werden kann und so ein enormes Potential hat, dass keine kühl rechnende Versicherung das riskiert. Prämien würden eine Vervielfachung des Atomstrompreises zur Folge haben. Das Risiko wird – jenseits aller „Schöpfungsverantwortung“ -ausgelagert, insbesondere auf die folgenden Generationen. Das ist bis heute so geblieben. – Und bei Katastrophen – wie 1986 in Tschernobyl oder 2011 in Fukushima –, zahlten Steuerzahler fürs Aufräumen. – Trotz gigantischer Förderungen konnte Atomstrom nur durch Auslagerung von Folgekosten reüssieren. Das ist zwar in unserem Wirtschaftssystem leider fast die Regel, aber bei Atomstrom ist das ganz krass.

Brückentechnologie

Trotzdem wird jetzt weltweit der Bau von Akw‘s unter Klimaschutz diskutiert; und die EU hat in diesem Sinn Förderungen mit grünem Mascherl beschlossen. Das Argument ist, dass zum Ausstieg aus Treibhausgasen Atomkraft übergangsweise eine „Brückentechnologie“ wäre. Ist das vertretbar und würde das überhaupt etwas bringen? Nicht neu ist, dass die „Endlagerung“ – ein bedenkenswerter Begriff! – des Nuklearabfalls bis heute ungeklärt ist, und auch Zwischenlager radioaktiv strahlen. Das nicht in der Natur vorkommende Plutonium hat eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren. Wir verlagern einen kurzfristigen Nutzen auf unzählige kommende Generationen, und spielen anmaßend fast Ewigkeit in einer Horror-Variante. Allerdings hat das Argument, dass wir ja nun auf der Erde sowieso schon viel Atommüll haben, und wir dieses Problem so oder so bewältigen müssen, auch was für sich. Weitere Punkte:

Verlustgeschäft

It’s the economy stupid: AKW‘s verbrennen zwar keine Kohle, dafür aber viel Geld. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat 2019 errechnet, dass ein AKW meist ein Verlustgeschäft ist. Privates Kapital investiert daher schon lange nicht mehr in AKW’s, weil die hohen jetzt anfallenden Kapitalaufwände – auch durch höhere Sicherheitsstandards – sich nicht mehr rechnen. Außer es wird eben subventioniert, dieses öffentliche Geld könnte man aber besser gleich für Energieeffizienz und Erneuerbare verwenden.
Kostenexplosionen bei Großbauten sind nicht selten: Das finnische AKW Olkiluoto verteuerte sich von 3 Milliarden auf elf Milliarden €. Ähnliches gilt für Hinkley Point in England.

Last but not least der Faktor Zeit: Üblicherweise dauerte eine AKW-Errichtung bisher ein Jahrzehnt, zuletzt deutlich länger: Das finnische AKW hätte 2008 fertig sein sollen, real dauerte es bis 2021. Neue Akw’s liefern frühestens in den 30er-Jahren Strom, wir brauchen Lösungen jetzt.

Mini-Atomkraftwerke

In Mode sind Pläne für niedlich erscheinende „Mini-Reaktoren“. Letztlich gelten dafür ebenso die Argumente von der Lagerung bis zu den Kosten. Und wenn es, entsprechend Konzepten, dann allenthalben ein Mini-AKW gibt, erhöht sich die Gefahr, dass Terroristen das für Aktionen nutzen.

Warum wird trotz all dieser Argumente nun wirklich gepusht? Neben Geschäftsinteressen von Atomfirmen und der Verbindung zur erstarkten Atomrüstung spielt bei besorgten Leuten (etwa in den USA), zunehmende Verzweiflung eine Rolle. Es ist auch absehbar, dass mit der sich vertiefenden Klimakrise ähnlich gelagerte Ideen aufkommen werden. Aber ist Verzweiflung eine gute Entscheidungsgrundlage? Noch gibt es gute andere Möglichkeiten, und die berechtigte HOFFNUNG, dass wir es schaffen.

Es ist gut, dass sich Österreichs Regierung gegen die jüngste Atomorientierung der EU wehrt. Ein Heuchelei-Vorwurf ist aber nicht ganz unberechtigt: Wir importieren und verbrauchen seit vielen Jahren Atomstrom, ca. sind 5-10 % aus der Steckdose Atomstrom. Mehr Power bei Wind- und Sonnenenergie würde uns glaubwürdiger machen.

JOSEF BAUM
Dr. Dr. Josef Baum, Ökonom und Geograf, Uni Wien. Stadtrat in Purkersdorf, www.josefbaum.at