Der Lehrstuhlinhaber für reformierte Theologie Ulrich Körtner gibt uns mit diesem Buch Einblicke in seine 30jährige Tätigkeit. Der programmatische Titel, zu deutsch: „Felder abstecken“ weist auf die zahlreichen und unterschiedlichen Felder hin, die er im Lauf der Zeit beackerte. Die hier versammelten Texte sind zwischen 2006 und 2022 erschienen – die Mehrzahl erst kürzlich.
Texte und Kontexte
Körtner hat sich immer als Gelegenheitsschriftsteller verstanden, der nicht ein langfristig angelegtes Forschungsprogramm verfolgt, sondern sich den Anfragen und Herausforderungen stellt, die in unterschiedlichen Zusammenhängen an ihn gerichtet wurden und werden.
Das Buch gibt Auskunft über die Theologie des reformierten Systematikers, der vorläufig letzte in einer 200jährigen Geschichte der Wiener Fakultät. In seinem Text mit dem Untertitel: „Was ich von Dietrich Bonhoeffer gelernt habe“ lässt sich der theologische Werdegang des Autors trefflich beobachten und nachvollziehen, wobei ihn der Gedanke der Fragmenthaftigkeit und des fragmentarischen Lebens vom Studium an begleitete.
Die erste Dogmatik seit 1887
In seinem Text: „Die Wirklichkeit der Erlösung“ kommentiert Körtner sein 2018 erschienenes Lehrbuch der Dogmatik. Fakultätsgeschichtlich bemerkenswert ist, dass seit Eduard Böhl, ein Vertreter des Neocalvinismus, kein Nachfolger mehr eine Dogmatik verfasst hat, und das ist bereits über 130 Jahre her. Ein anderer Text ist der Arbeit des interdisziplinären Instituts für Ethik und Recht in der Medizin gewidmet, an dessen Aufbau und Leitung Körtner über viele Jahre beteiligt war. Dieses Buch ist nicht nur für Theologinnen und Theologen lesenswert. In dieser Textsammlung finden sich auch solche Abschnitte, die durchaus für interessierte Nicht-Theologen gut lesbar sind. Das trifft auf die biografischen Einblicke zu, die auch humoristische und kulturhistorische Aspekte beinhalten, wie auf gesellschaftspolitische Analysen in Verbindung mit den Krisen unserer Zeit.
Theologie in der Krise
Im letzten Text, den Körtner erst im vergangenen Jahr verfasste: „Theologie für die Krise – Theologie in der Krise“ analysiert und reflektiert der Autor den Umgang mit diversen Krisen unserer Zeit und kritisiert dabei das aus seiner Sicht fragwürdige Verhalten der Kirchen in der Corona-, und Klimakrise.
Ein Schatz für die Kirche
Dieses Buch ist ein Schatz, wofür ihm seine Kirche dankbar ist, denn das Wirken und das Werk des Lehrstuhlinhabers ist auch ein Bestandteil der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich und wird damit auch historische Bedeutung gewinnen. Texte, die an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten veröffentlicht wurden, sind hier mit einem Schlag nachzulesen inklusive eines Abrisses der Geschichte des reformierten Lehrstuhls und seiner Vertreter. Körtner steht mit seinem öffentlichen Wirken und dem Betreiben öffentlicher Theologie über das universitäre Leben hinaus, in Printmedien, in Funk und Fernsehen und öffentlichen Stellungnahmen in einer typisch reformierten Tradition, auch wenn er sich lutherischer Theologie mehr zuwandte als seine Vorgänger und immer wieder auch als streitbarer Geist Positionen bezog, die im Gegensatz zu den Positionen seiner Kirche standen. Körtner schließt seinen letzten Aufsatz im Buch mit einem tröstlichen und adventlichen Gedanken: dass nämlich im Sinn Bonhoeffers die Einübung ins Christentum nicht nur im Beten und Tun des Gerechten, sondern auch im Warten auf Gottes Zeit besteht.
Thomas Hennefeld