Ringparabel im Theatergottesdienst

Ausschnitt aus „Nathan der Weise“ in der Zwinglikirche

Am 12. November 2023 wurde in der Zwinglikirche Theater gespielt, und zwar im Gottesdienst. Ein paar Eindrücke dieses speziellen Gottesdienstes, der in der Reformierten Stadtkirche in Wien Innere-Stadt am „Palmdonnerstag“ 21. März 2024 um 19 Uhr mit der Aufführung von „Maria Magdalena“ eine Fortführung haben wird.

„Nathan der Weise“ – Mediator

Geboten wurde in der Zwinglikirche ein Ausschnitt aus „Nathan der Weise“ von G. E. Lessing, der berühmte Text, in dem der Jude Nathan der Weise zum muslimischen Sultan gerufen wird und von diesem gefragt wird, welche der drei monotheistischen Weltreligionen die (einzig) wahre sei. Als Antwort auf diese Frage erzählt ihm Nathan die Ringparabel, die darauf hinausläuft, dass sich diese Frage nicht beantworten lässt, weil keine Religion die absolute Wahrheit besitzt. So verständlich und sinnvoll es ist, dass Gläubige aller Religionen sich ihrer je eigenen Religion besonders verbunden fühlen, gilt es auch, die anderen Religionen zu respektieren. Entscheidend ist im konkreten Leben weniger die Wahrheitsfrage als vielmehr das konkrete Tun bzw. die Frage, in welchem Maß eine Religion (bzw. deren Anhänger:innen) Liebe stiften.

Schauspiel, Musik und Religion

Die Botschaft der Ringparabel ist schon für sich genommen eindrücklich – und noch eindrücklicher wurde es, weil der Text von Lessing als echtes Theater samt Musikeinlagen im Rahmen eines Gottesdienstes aufgeführt wurde. Neben Nathan dem Weisen, brillant gespielt von der Schauspielerin und Regisseurin Friederike v. Krosigk, war auch der Sultan besonders beindruckend. Diese Rolle wurde von Marwan Abado verkörpert, dem christlich-palästinensischen Liedpoeten, der in seinen Text auch arabische Wendungen einfließen ließ und dem Stück so eine besondere Authentizität verlieh. Berührt hat die Vorführung auch durch die musikalischen Einlagen mit Marwan Abado an der Oud und Annegret Bauerle an der Flöte, insbesondere durch den Schluss, bei dem die drei Schaupieler:innen und Musiker:innen je ein Friedenslied anstimmten. Da pace domine für das Christentum, Hevenu Shalom für das Judentum und ein arabisches Lied für den Islam, und zwar gleichzeitig – so, dass die drei Lieder je für sich hörbar blieben, dabei aber immer stärker harmonisierten. Eingerahmt wurde die Vorführung von wenigen, aber gewichtigen Worten von Pfarrer Thomas Hennefeld, der die Botschaft des Stücks und den Auftrag zum Dialog zwischen den Religionen bekräftigte. Der Gottesdienst war schon lange geplant, hat aber wohl viele Gottesdienstbesucher:innen gerade auch wegen des neu aufgeflammten Israel-Palästina-Konflikts ganz besonders tief berührt.

Annette Schellenberg

Friederike v. Krosigk als Nathan und Marwan Abdo als Sultan Saladin im Gespräch Foto: Hubertus Hecht