Reformierte Doktorand:innen in Wien

Behinderungen und Diskriminierungen in religiösen Settings

Wir setzen mit Angelo Comino und seiner Dissertation unsere Reihe zur Vorstellung reformierter Doktorand:innen an der Wiener Fakultät fort. Mit seiner Dissertation hofft Comino, indirekt einen Beitrag zur aktuellen Auseinandersetzung mit Behinderungen in religiösen Settings zu leisten und Bewusstsein über diskriminierende Denkmuster zu schaffen.

Leidenschaft zur Theologie

Angelo Comino (geboren in Innsbruck, 1980) absolvierte 2008 das Studium der Philosophie an der katholischen Fakultät in Innsbruck mit einer Diplomarbeit über die reformierte Erkenntnistheorie. Obwohl er 2010 seine Karriere in einem internationalen Technologieunternehmen begann, ließ ihn der Wunsch, evangelische Theologie zu studieren, nicht los. Er begann das Bachelorstudium der evangelischen Theologie an der Waldenserfakultät in Rom und schloss das Masterstudium der evangelischen Fachtheologie in Wien ab. Während dieser Zeit wurde Comino mit dem Thema Behinderung konfrontiert und wurde auch im Unternehmen, in dem er nun in Wien arbeitet, zum Behindertenbeauftragten für ganz Europa ernannt. Somit fiel es ihm leicht, sich dafür zu entscheiden, seine Dissertation bei Annette Schellenberg zu verfassen.
Gott und Behinderung im Alten Testament

Sein Dissertationsprojekt, das er auf Englisch verfasst, trägt den Titel „Disabilities and the Purpose Assigned to the Divinity: A Comparative Analysis of the ‚Theologies of Disability‘ in the Hebrew Bible and in Ancient Near Eastern Texts“ („Behinderungen und die der Gottheit zugewiesenen Aufgaben: Eine vergleichende Analyse der ‚Theologien der Behinderung‘ in der hebräischen Bibel und in altorientalischen Texten“). Es behandelt die vielfältigen Darstellungen von physischen und geistigen Behinderungen im Alten Testament und anderen Texten des antiken Nahen Ostens. Die darin enthaltenen unterschiedlichen Darstellungen von Behinderungen stehen im Gegensatz zum sozial bevorzugten Bild eines idealisierten Körpers, das direkt oder indirekt durch ein grundlegendes Verständnis davon, wie Gott gedacht wird, unterstützt wird. In diesen facettenreichen Darstellungen werden Gott – oder im Fall der anderen Religionen im Nahen Osten die Götter – verschiedene Rollen zugeschrieben: Der Gott, der Behinderungen schafft, der mit Behinderungen straft, der Menschen mit Behinderungen schützt und sich um sie sorgt, der von ihnen angebetet wird und der selbst behindernde Eigenschaften aufweist.

Beitrag zur Bewusstseinsbildung

Die Untersuchung trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der religiösen Perspektiven auf Behinderungen in der Antike bei, sondern zeigt auch, wie vielschichtige Darstellungen der Gottheit von der sozialen Mehrheit gedacht wurden und zumindest im Falle des antiken Israels zur Ausgrenzung einer sozial benachteiligten Randgruppe führten. Selbst nach Jahrtausenden sitzen manche dieser Darstellungen in der westlichen Kultur fest und prägen somit immer noch den gesellschaftlichen und kirchlichen Diskurs.

Red.