Reformationsempfang mit Bundespräsident Van der Bellen und Kardinal Schönborn

Wien (epdÖ) – Mit dem Reformationsempfang im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins erreichten die Feierlichkeiten der Evangelischen Kirchen zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“ am Dienstag, 24. Oktober, ihren offiziellen Höhepunkt.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kardinal Christoph Schönborn richteten Grußworte an die rund 1500 Gäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Musikverein, darunter zahlreiche Repräsentanten der Kirchen im In- und Ausland sowie des politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Lebens in Österreich. Als Festrednerin sprach Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff über die Reformation als Sprachereignis.

Van der Bellen: Kirchen als Lobby für jene, die keine haben

Das Mündig-Werden des Einzelnen, der Ruf nach individueller und politischer Freiheit haben eine ihre Wurzeln in der Reformation, erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei dem Festakt. Ob Luther selber das wollte, sei eine andere Frage, jedenfalls sei diese Entwicklung ein „Kollateralnutzen der Reformation“ und ein „kostbares Erbe“, an das man sich dankbar erinnere. Die Ökumene habe in Österreich „riesige Fortschritte“ gemacht, es gebe unzählige Brücken zwischen den Konfessionen und eine persönliche Vertrauensbasis, die lange undenkbar war. Konkret erinnerte Van der Bellen etwa an das gemeinsame Sozialwort der Kirchen oder auch an deren Engagement für Flüchtlinge: Die große Flüchtlingsbewegung von 2015 wäre ohne das vielfach ehrenamtliche Engagement der Kirchen, der Diakonie, der Caritas und der Zivilgesellschaft „nicht zu bewältigen gewesen“.

Während frühere Reformationsjubiläen oft politisch überhöht und missbraucht worden seien, sei 2017 ein „Fest der Besinnung“, aber auch des Religionsfriedens in der allgemeinen Akzeptanz eines religiösen Pluralismus. Religionsfriede entstehe nicht automatisch. „Im Namen Gottes Menschenrechte zu verletzen, ist ein zentraler Angriff auf mühsam erworbene Menschen- und Bürgerrechte“, warnte Van der Bellen. Diese Freiheitsrechte gelte es immer zu verteidigen. Die Kirchen leisteten, so der Bundespräsident, dazu einen wesentlichen Beitrag, ebenso wie für die europäische Idee. Van der Bellen: „In meinen Augen besteht die Rolle der Kirchen darin, sich für jene einzusetzen, die keine Lobby haben.“

Schönborn: Gemeinsame Verantwortung für den gesellschaftlichen Auftrag

Dass Luther nicht die Gründung einer neuen Kirche oder Konfession im Sinn gehabt, sondern ihn „allein das Zeugnis für die Kraft des Evangeliums bewegt“ habe, betonte Kardinal Christoph Schönborn vor den Festgästen. Mit unermüdlicher Energie habe Luther den Kern des Evangeliums verkündigt und verteidigt. Die große Kirchenspaltung habe nicht zuletzt Luther selbst erschreckt. Heute sei zwischen den Kirchen „Neues, Hoffnungsvolles in der Vielheit“ gewachsen, im gemeinsamen Hören auf das Evangelium, in der gegenseitigen Vergebungsbitte und im gemeinsamen Besinnen auf die jüdischen Wurzeln des Christentums.

In ihrer Festrede ging die Berliner Autorin und Religionswissenschaftlerin Sibylle Lewitscharoff auf die Rolle Martin Luthers als Bibelübersetzer und Sprachgestalter ein: „Die Bibel hatte jahrhundertelang im trüben Wasser gelegen, bis Martin Luther kam und sie barg.“ Dass Luther sich dabei auf das Alte, nämlich das textliche Original der Bibel, zurückbezog, um Neues zu gestalten, sieht die Büchner-Preisträgerin von 2013 nicht als Widerspruch: „Wer sich an das Neue wagt, bedarf immer der Würde des Alten. Auch Luther hatte den Mut, sich an das Alte zu wagen.“

Musikalische Höhepunkte im berühmten, vom evangelischen Architekten Theophil Hansen erbauten Gebäude des Musikvereins waren die „Reformations-Sinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Werke von Aaron Copland, Max Reger und Martin Zeller. Das musikalische Programm beschloss das internationale „Peace Drums Project“, bei dem Jugendliche aus Israel und Palästina gemeinsam mit dem Orchester der Johann Sebastian Bach Musikschule Wien auf Steeldrums spielten.

EPD/Österreich

(Reformiertes Kirchenblatt 12/2017)