Die 26. Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (ehemals Reformierter Weltbund) stand unter dem Motto: „Lebendiger Gott, erneuere und verwandle uns“ und fand vom 28. Juni bis 7. Juli in Leipzig statt.
An der Generalversammlung nahmen rund 400 Delegierte aus 130 Mitgliedskirchen aus über 100 Nationen teil. Mit Beobachtern, Ökumenischen Partnern und Gästen kam die Versammlung auf rund 1000 Personen.
Im Vorfeld fanden eine Versammlung der Jugenddelegierten wie auch der Frauen statt. Beide verabschiedeten je eine eigene Erklärung, die von der Generalversammlung angenommen wurde. Für die Evangelische Kirche H.B. nahmen Thomas Hennefeld und Milena Heußler teil. Sie war auch Jugenddelegierte.
Es war eine wegweisende Generalversammlung mit einschneidenden Entscheidungen. Die Weltgemeinschaft ist bestrebt, die Gemeinschaft zu stärken, auf dem Pfad der Gerechtigkeit weiterzugehen, die Gemeinschaft auch mit anderen ökumenischen Partnern zu vertiefen und die prophetische Stimme gegen Ungerechtigkeit zu erheben. Sie legte ein klares Bekenntnis ab, sich für Schwache, Marginalisierte und diskriminierte Gruppen einzusetzen, vor allem für Flüchtlinge, und aufeinander zu hören, besonders auf die Stimmen der Menschen aus dem Süden. Zwei Drittel aller Mitgliedskirchen befindet sich in der südlichen Hemisphäre.
Zur neuen Präsidentin – zum ersten Mal steht an der Spitze der reformierten Weltfamilie eine Frau – wurde Pfarrerin Najla Kassab gewählt, als Nachfolgerin des südafrikanischen Theologen Jerry Pillay. Kassab gehört der Nationalen Evangelischen Synode von Syrien und Libanon an und lebt in Beirut.
Auf dem Weg zur Gleichstellung von Männern und Frauen
Im Zentrum der Beratungen standen die Gerechtigkeitsfrage und die Geschlechtergerechtigkeit. Die Generalversammlung verabschiedete eine Erklärung mit dem Ziel, die Frauenordination bis 2024, dem Termin der nächsten Generalversammlung, in allen Kirchen umzusetzen. Weltweit ist man davon noch weit entfernt, denn einige Mitgliedskirchen in Asien und Afrika lehnen die Frauenordination bis jetzt ab. Vereinzelt gibt es aber auch reformierte Kirchen in Europa, die sich damit schwer tun.
Starke ökumenische Zeichen
Gleich zwei ökumenische Erklärungen wurden in der Wittenberger Stadtkirche unterzeichnet. Zum einen das „Wittenberger Zeugnis“, in dem sich die reformierten und lutherischen Kirchen zu engerer Gemeinschaft verpflichten, etwas das in Österreich, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern schon längst gelebt wird, aber weltweit nicht selbstverständlich ist. Und die Weltgemeinschaft Reformierter Kirche trat in einer feierlichen Zeremonie der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ bei, die 1999 vom Vatikan und dem Lutherischen Weltbund unterzeichnet worden war. In der Beitrittserklärung der WGRK wird der Zusammenhang zwischen Rechtfertigung und Gerechtigkeit besonders betont.
Begegnung zwischen Nord- unmd Südkorea
Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen hat zur Aussöhnung zwischen Nord- und Südkorea aufgerufen. Viele kleine Schritte, ohne die Einmischung der Großmächte, seien nötig, um den Frieden voranzutreiben. Es war schon eine kleine Sensation, dass die nordkoreanischen Delegierten ausreisen durften und in Leipzig gemeinsam mit den südkoreanischen Delegierten in einer bewegenden Zeremonie im Plenum auftraten und sich für Frieden einsetzten. Bei einem eigenen Treffen zuvor wurde gemeinsam gebetet und das Abendmahl gefeiert.
Vortrag von Jürgen Moltmann
Der 91jährige bedeutende evangelische Theologe Jürgen Moltmann hielt einen berührenden Vortrag zum Thema: „Lebendiger Gott“ – gegen Tod und Zerstörung. Beinahe 50 Jahre nachdem Moltmann zum ersten Mal bei einer Generalversammlung des Reformierten Weltbundes – Vorgänger der WGRK – in Nairobi, Kenia im Jahr 1970 gesprochen hatte, sprach er in Leipzig über die zerstörerischen Mächte und über den Gott des Lebens.
Dissens bei Fragen zur Sexualität
Auch wenn das Klima im Plenum vom Willen zum Konsens geprägt war, so konnten sich die Delegierten in einer Frage gar nicht einigen, nämlich beim Thema: sexuelle Orientierung bzw. sexuelle Diversität. Für einen Teil der Mitgliedskirchen aus Afrika und Asien gibt es keine Bereitschaft, über das Thema auch nur zu diskutieren. Wenigstens wurde Übereinstimmung erreicht in der Ablehnung von Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.
Öffentliches Zeugnis
Die Generalversammlung nahm auch zu verschiedenen Konflikten Stellung und machte Vorschläge, wie die WGRK helfen könne. Sie äußerte sich u.a. zu Flüchtlingen und Menschenhandel, zur prekären Lage der Christen in vielen Regionen der Welt, zur Lage indigener Völker, zu Rassismus gegen Schwarze und zur Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.
Wie immer bei solchen Ereignissen lebte auch diese Generalversammlung nicht nur von den Beratungen, Diskussionen und Entscheidungen im Plenum und in Kleingruppen sondern auch von den Andachten, Bibelarbeiten, Gottesdiensten, vom Gesang und von dramaturgischen Aufführungen und dem Gebet. Neben den Geschäftssitzungen gab es ein ebenso dichtes Programm. Der Eröffnungsgottesdienst fand in der Nikolaikirche statt, jener Kirche, in der hunderte Menschen in der damaligen DDR für einen friedlichen Wandel beteten. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der selbst der Reformierten Kirche angehört, sprach ein Grußwort. Die WGRK feierte einen Gottesdienst im Berliner Dom, der im ZDF übertragen wurde. In der Stadt, in der Martin Luther mit seiner Veröffentlichung der 95 Thesen die Reformation ins Rollen brachte, feierte die WGRK einen besonderen Gottesdienst mit Würdenträgern aus der Ökumene. U.a. war der Ratsvorsitzende der EKD Heinrich Bedford-Strom anwesend. Wie immer bei einer Generalversammlung wurde eine Schlussbotschaft verfasst und veröffentlicht.
THOMAS HENNEFELD