„Es geht um die Zukunft der Kirche!“ Macht und Verantwortung der Synode H.B.

Der neu gewählte Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich. Pfr. Michael Meyer & DI Ulrike Becvar-Sauseng mit Landessuperintendent Mag. Thomas Hennefeld (v.l.n.r.) Foto: J. Wittich

Am 13. Jänner 2024 fand der Eröffnungsgottesdienst der 18. Synode der Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses in Österreich statt. Pfr. Johannes Wittich hielt in der Reformierten Stadtkirche dabei folgende Predigt, die wir als Textauszug bringen.

Eine Synode erstreckt sich über sechs Jahre, im Laufe derer eine ganze Reihe von Sitzungen, von Sessionen stattfinden. Wir alle sind als reformierte Christinnen und Christen oder als lutherische Christinnen und Christen in der reformierten Kirche stolz darauf, dass es so etwas wie eine Synode gibt, ist sie doch ein starkes Zeichen dafür, wie wichtig Mitreden und Mitbestimmen in unserer Kirche ist, und zwar Mitbestimmung aller, denn in der Synode H.B. kann jedes Mitglied unserer Kirche sitzen, die Erreichung der Volljährigkeit vorausgesetzt.

Vorbild „Apostelkonzil“

Für Synoden gibt es ein biblisches Vorbild, das sogenannte „Apostelkonzil“, das so um das Jahr 48 herum in Jerusalem stattgefunden hat. Da sind Vertreter aus christlichen Gemeinden zusammengekommen, nicht nur, um gemeinsam ein sehr kontroversielles Thema zu diskutieren, sondern um auch Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen, mit denen alle gut leben können, im Bewusstsein: es geht um die Zukunft der Kirche! Wenn wir uns hier nicht einigen, uns nicht klar darüber werden, was wir nach außen hin vertreten, dann verlieren wir jede Glaubwürdigkeit. Denn: Wie kann man für einen Glauben werben, wenn man sich selbst nicht darüber einig ist, was eigentlich geglaubt werden soll?

Kann eine Kirchenleitung eine Kirche leiten?

Und so kommen Vertreter aus den Gemeinden zusammen, „geistliche und weltliche Amtsträger“, damals „Apostel“ und „Älteste“ bezeichnet. Das Protokoll dieser ersten Synodensession ist im 15. Kapitel der Apostelgeschichte erhalten geblieben. Dazu meine Lieblingsfrage an den fiktiven Sender „Radio Eriwan“: KANN EINE KIRCHENLEITUNG EINE KIRCHE LEITEN? Antwort: im Prinzip ja. Aber: kann ein Zitronenfalter eine Zitrone falten?

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche H.B. ist: die Synode. Wie schon beim Apostelkonzil damals, sind es die Synodalen, die die grundlegenden Entscheidungen für diese Kirche treffen. Es gibt keine Instanz über der Synode. Beschlüsse können angefochten werden, beim Revisionssenat, ja, aber dieser kann nur feststellen, ob etwas rechtlich korrekt war. Entscheidungen fällen für unsere Kirche, kann er nicht. Es gibt also nur die Synode, und über dieser nur noch den Herrn der Kirche, Jesus Christus.

Kein „Die Da Oben!“

Damit hat die Synode, haben wir Synodalen, eine gewisse Macht in unserer Kirche, aber eben auch gleichzeitig eine Riesenverantwortung. Als Synodale können wir uns nicht darüber beschweren, dass „die da Oben“ in der Kirche etwas falsch gemacht haben. Wir selbst sind „die da oben“. Und das unterscheidet uns auch vom Selbstverständnis unserer lutherischen Schwesterkirche, die die Kirchenleitung beim Oberkirchenrat sieht. Die Erkenntnis: Wenn’s wir nicht hinkriegen, dann gibt es niemanden, der für uns einspringt. Auch die Apostel damals, so sehr die Standpunkte in der konkreten Frage noch auseinandergelegen sind, so sehr auch Emotionen im Spiel waren, haben gewusst: Es geht um die Zukunft der Kirche. Und es liegt in unserer Hand, wie diese Kirche ausschaut. Und ob sie sich weiter gut entwickeln kann.

Ein Angebot am religiösen Markt

Schon damals beim Apostelkonzil war es nicht möglich, organisatorische und theologischen Fragen zu trennen. Auch heute geht das nicht. Die Apostel haben weder eine rein theologische, noch eine rein organisatorische Frage zu lösen gehabt, sondern eine Mischung aus beiden. Es ging um ein theologisches Thema, darum, ob vor der Taufe von Nichtjuden auch diese sich beschneiden lassen müssen und danach die jüdischen, vor allem die Speisegebote einzuhalten sind. Da kann man theologisch darüber reden, über den Stellenwert der Gebote der Thora für die Christinnen und Christen. Ich denke, Paulus als Missionar unter Nicht-Juden war völlig klar: Wenn wir die Beschneidung und die Einhaltung von Essensvorschriften zu einer Voraussetzung für die Taufe erklären, dann verscherzen wir es uns mit unserem Zielpublikum. Dann ist das Evangelium als befreiende Botschaft nicht mehr glaubwürdig. Dann interessiert sich von den Nicht-Juden niemand mehr für die Taufe. Dann sind die über alle Berge und suchen sich ein anderes Angebot auf dem religiösen Markt, nicht weil unser Angebot, das Evangelium von Jesus Christus so schlecht ist. Sondern weil wir es so schlecht repräsentieren, uns selbst mit kleinlichen und unnötig empfundenen Debatten im Weg stehen.

Das macht Synode aus

Theologisch reflektiertes organisatorisches und strategisches Denken macht Kirchenleitung aus. Das macht Synode aus, seit dem ersten Mal, wo man sich in Jerusalem zusammengesetzt und miteinander beraten hat. Mit welchem Ergebnis? Mit einem gut durchdachten, theologisch reflektierten und an der Praxis orientierten Beschluss. Die Freiheit des Evangeliums soll nicht durch eine Pflicht eingeschränkt sein, also eine Pflicht zur Beschneidung oder Einhaltung von Speisegeboten. Aber das bedeutet nicht, dass für die gelebte Praxis in den Gemeinden doch Grenzen festgelegt werden können, in Form einer Bitte: Wenn ihr nicht aus dem Judentum kommt, dann verzichtet doch bitte freiwillig auf das Verzehren von nicht koscherem Essen, damit eure ehemals jüdischen Geschwister in der Gemeinde vorbehaltlos mit euch feiern können, Abendmahl feiern können, das ja damals noch eine vollständige Mahlzeit war. Theoretisch und auch theologisch begründet darf ich alles essen. Aber ich kann auch darauf verzichten, aus Rücksicht auf den Bruder oder die Schwester im Glauben.

Wir haben eine große Freiheit als Synodale

Wir müssen aber auf dieser Freiheit, in dieser Kirche bestimmen zu können, nicht beharren. Wir können, wie damals in Jerusalem, auch sagen: Dein Antrag gefällt mir zwar nicht, aber wenn’s dir so wichtig ist, dann beschließen wir ihn. Damit wir alle miteinander als Kirchenleitung nicht unglaubwürdig werden, weil das wäre dann ein wirklicher Schaden für diese Kirche. Die Synodalen damals in Jerusalem waren sicherlich stolz auf ihren Beschluss. Darauf, dass sie so ein gutes Verhandlungsergebnis geschafft haben. Aber im Schreiben an die Gemeinden sagen sie nicht: Wir haben beschlossen! Sondern: Der Heilige Geist und wir haben beschlossen! Den braucht es unbedingt. Möge er reichlich bei unseren Sitzungen wehen.

Johannes Wittich
Pfarrer der Erlöserkirche – Wien Süd


Der alte und neue Vorsitzende der Evangelischen Kirche Helvetischen Bekenntnisses in Österreich Mag. Georg Jünger. Foto: J. Wittich.