Ein Kommentar zum Bücherverbot an Schulen in den USA

Im Bundesstaat Florida, in Escambia County ist unter anderem auch folgendes Bilderbuch auf dem Index: „And Tango Makes Three“. © wikimedia.commons
Im Bundesstaat Florida, in Escambia County ist unter anderem auch folgendes Bilderbuch auf dem Index: „And Tango Makes Three“. © wikimedia.commons

Die Bibel wird aus Schulen verbannt

Ein Kommentar zum Bücherverbot an Schulen in den USA

In den USA ist das Bücherverbot kein neues Thema. Der Autorenverband der USA (PEN America) macht schon länger auf den Trend aufmerksam, dass rechtsgerichtete Gruppen versuchen, Bücher mit ihnen unliebsamen Themenfeldern aus den öffentlichen Bibliotheken zu verbannen, indem sie die Inhalte als pornografisch oder unsittlich etikettieren. Obwohl in der Bevölkerung untervertreten, schaffen sie es durch ihren Aktivismus, Bücher zu zensieren. Zu den Themen, die einem massiven Angriff ausgesetzt sind, zählen: Geschlechteridentität und Unterdrückung, Rassismus, sexuelle Identitätsfindung. Das von diesen republikanischen Gruppen willkürlich ausgewählte Bücher tatsächlich aus manchen Schulen und Bibliotheken entfernt werden, macht ein Gesetz möglich, das besagt: Jedes Buch kann zur Überprüfung bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Im Zuge dieses Gesetzes wurden bundesweit in einzelnen Distrikten und Bezirken schon hunderte Bücher mit gesellschaftskritischem Inhalt aus Grundschulen und Mittelschulen verbannt.

Eine wunderbare Beziehung

„And Tango Makes Three“ ist ein Kinderbuch, das 2005 veröffentlicht wurde. Das Buch erzählt die Geschichte von zwei männlichen Pinguinen, Roy und Silo, die zusammen eine Familie gründen. Mit Hilfe des Zoowärters erhalten Roy und Silo ein Ei, das sie gemeinsam ausbrüten. Das weibliche Küken, das die Familie vervollständigt, wird von den Tierpflegern „Tango“ genannt. Das Buch basiert auf der wahren Geschichte von Roy und Silo, die im New Yorker Central Park Zoo ein Paar wurden.

Die American Library Association (ALA) berichtet, dass „And Tango Makes Three“ bis 2009 am vierthäufigsten von den Bücherregalen der Schulen verwiesen wurde und es bis 2019 immer noch auf Platz sechs der verbannten Bücher schaffte.
Gleichzeitig wurde „And Tango Makes Three“ mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2006 mit dem „ALA Notable Children’s Book Nominee“, 2005 mit dem „ASPCA Henry Bergh Book Award“ und 2006 als eines der „Bank Street Best Books of the Year“.

Lebenswelten ausblenden

Durch die Verbannung dieser Bücher werden Lebenswelten und Wirklichkeiten ausgeblendet und nur eine Sichtweise zugelassen. Es ist ein gefährlicher Schritt in Richtung Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Redefreiheit. PEN America argumentiert: „Eine Demokratie hängt von einer gebildeten und belesenen Bevölkerung ab, einer Bevölkerung, die neugierig und in der Lage ist, selbständig zu denken und viel zu lesen. Wenn wir anfangen, den Zugang zu Literatur, Ideen und Informationen einzuschränken, schränken wir die Fähigkeit unserer Kinder ein, komplex zu denken und selbständig zu denken.“ Klar wird jedenfalls bei dieser Diskussion: Es gibt in den USA, und nicht nur in den USA, eine weiße, konservative Bevölkerungsschicht, die gerne ihre Werte und ihre Intoleranz, um es einmal deutlich zu sagen, als Norm propagieren und in die Bildung und Erziehung tragen möchte. Und um es noch deutlicher zu sagen: Es handelt sich zumeist um eine weiße, konservative Bevölkerungsschicht, die sich gleichzeitig ihren christlichen Glauben ans Revers heftet.

Inzest und Bestialität

Dies haben nun im Schulbezirk Davis, im Bundesstaat Utah, Eltern und Gegner der Bücherverbannungen aufgegriffen und schlagen die Verbotslobby mit ihren eigenen Mitteln. Sie setzten ein Buch zur Überprüfung auf die Liste, das den bannungsfreudigen Verbänden viel wert ist: Die Bibel! Exakt zitiert formulierten sie ihr Anliegen so: Biblische Inhalte wie „Inzest, Onanie, Bestialität, Prostitution, Genitalverstümmelung, Vergewaltigung und sogar Kindermord“ sind „vulgär und unpassend“ für Kinder und das Buch somit zu entfernen. Dieses Anliegen wurde vom Schuldistrikt geprüft. Die Inhalte als für Kinder unpassend befunden und das Buch am 2. Juni 2023 von den Bücherregalen der Grund- und Mittelschulen entfernt.

Ein Denkanstoß für die Konservativen?

Es wäre zu schön zu glauben, dass die republikanischen Verfechter des Bücherbanns durch den Bibelbann nun nachdenklich gestimmt wurden. Aber so ist es nicht. Es kam zu keiner Diskussion, es kam nur zu lautstarken Protesten. Und dies nicht, weil die Argumentation von PEN America: „Aussagen und Inhalte müssen in ihrem Kontext angeschaut werden“, plötzlich allen einleuchtete. Nein, das Entscheidungskomitee ist ganz einfach unter den sehr lautstarken Protesten der konservativen Elternschaft eingeknickt. Sie revidierten das Urteil am 23. Juni 2023 und die Bibel darf nun in die Schulen zurückkehren. Schön wäre es, wenn das auch für die anderen Bücher gelten würde. Oder wie die Vorsitzende des PEN America, Kasey Meehan, sagt: „Wenn sich die Leute darüber empören, dass die Bibel verboten wurde, sollten sie sich doch ebenso über alle anderen Bücher empören, die zensiert werden“.

Sonja Bredel

Liste der in einigen US-Staaten „verbotenen Bücher“/ Banned Books in Auswahl – komplette und laufend aktualisierte Auswahl auf der Website The Banned Books Project der Mellon University USA (Red.)
Mellon University Banned Books Project

o Allende, Isabel. House of the Spirits
• Bradbury, Ray. Fahrenheit 451
• Burgess, Anthony. A Clockwork Orange
• Collins, Suzanne. The Hunger Games
• Gaiman, Neil. Sandman
• Goethe, Johann Wolfgang. The Sorrows of Young Werther
• Heller, Joseph. Catch-22
• Hosseini, Khaled. The Kite Runner
• Huxley, Aldous. Brave New World
• Lee, Harper. To Kill a Mockingbird
• Picoult, Jodi. My Sister’s Keeper
• Pullman, Phillip. His Dark Materials
• Rowling, JK. The Harry Potter Series
• Rushdie, Salman The Satanic Verses
• Salinger, J.D. The Catcher in the Rye
• Satrapi, Marjane. Persepolis
• Vonnegut, Kurt. Breakfast of Champions
• Walker, Alice. The Color Purple