Die Klimakrise und die Bibel

Die Bibel und die Klimakrise (pixabay)

Spätestens in diesem Jahr ist den meisten Menschen bewusst geworden, dass die Klimakrise das brennendste Problem unserer Zeit ist.

Viele Christinnen und Christen fragen sich daher, was die Bibel zu dieser Katastrophe zu sagen hat.

Die Bibel kennt die Klimakrise nicht

Die erste Antwort ist negativ: Die Klimakrise ist ein relativ junges Problem, die Bibel weiß von ihr noch nichts. Fliegen und CO2 sind für sie kein Thema, ebenso wenig das Waldsterben und übermäßiger Fleischkonsum. Zur Lösung der konkreten Probleme hilft die Bibel von daher nicht weiter, hier sind wir auf die Wissenschaft und unseren Verstand verwiesen.

Bedrohungen sind nicht neu

Fasst man den Fokus allerdings etwas weiter, finden sich in der Bibel durchaus Texte, bei denen man Analogien zur Klimakrise herstellen kann. Häufig ist etwa von Dürren die Rede, die Mensch und Tier bedrohen. Und die Sintflutgeschichte berichtet von einem Steigen der Meeresspiegel und macht dafür den Menschen verantwortlich. Allerdings nur indirekt: nach Gen 6-8 hat Gott selbst die Sintflut geschickt, um die Menschen auszurotten – um dann später zu versprechen, dass es eine solche Flut nie mehr geben wird. Das Beispiel zeigt, dass man bei den Analogien schnell an Grenzen kommt und die biblischen Texte nicht einfach 1:1 auf heute übertragen kann.

Biblische Impulse zur Krise

Dennoch kann die Bibel wesentliche Impulse für ein theologisches Nachdenken über die Klimakrise geben: insbesondere mit ihrem Verständnis der Welt als Schöpfung Gottes, dem Gedanken einer Mitgeschöpflichkeit von Mensch und Tier, und ihrem Insistieren, dass Gott den Menschen für sein Verhalten in die Verantwortung nimmt. Sobald es konkreter wird, finden sich zu diesen und verwandten Themen unterschiedliche Positionen – etwa in der Frage, ob der Mensch in der Schöpfung eine Sonderstellung hat oder ein Geschöpf neben anderen ist, und selbst in der Einschätzung, ob/wie die Welt bestehen bleibt. Für ein theologisches Nachdenken mit der Bibel sind die kontroversen Positionen nicht weniger hilfreich als die Grundeinsichten, die sich durchziehen – zumal, wenn wir die Kontroversität zur Kenntnis nehmen. In aktuellen Diskussionen ist es aber natürlich nicht immer möglich, mit der Bibel in ihrer (kontroversen) Gesamtheit zu argumentieren; das wird schnell zu komplex. Einfacher und eingänglicher sind Argumentationen mit ausgewählten Texten oder sogar Einzelversen.

Ist die Bibel für Klimakrise verantwortlich?

Im Zusammenhang mit der Klimakrise wird z.B. häufig auf Gen 1,28 verwiesen („… Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie untertan, und herrscht … über alle Tiere …“) und der Vorwurf erhoben, die Bibel sei für die Klimakrise (mit)verantwortlich, weil der Vers eine selbstherrliche Ausbeutung der Natur legitimiere. Als Gegenargument weisen ökologisch motivierte Christinnen und Christen gerne auf Gen 2,15 („Und der HERR, Gott, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaute und bewahrte“) und argumentieren, der Mensch sei nach der biblischen Tradition zur Bewahrung der Schöpfung bestimmt. Argumentationen mit Einzeltexten/-versen sind häufig sehr effektvoll und können durchaus legitim sein. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Bibel bleibt es aber unabdingbar, dass man dabei die historischen und literarischen Kontexte berücksichtig. So gilt es bei Gen 1,28 zu beachten, dass die Kräfteverhältnisse zwischen Mensch und Natur in der Antike ganz anders waren als heute: Stellen wie 2Kön 2,24 und Am 5,19 zeigen, dass damals nicht die Natur die gefährdete Größe war, sondern der Mensch. Das schafft nicht aus der Welt, dass Gen 1,28 später im Sinn eines Freibriefs zur Ausbeutung der Natur verstanden werden konnte – ursprünglich gemeint war die Stelle so aber sicher nicht.
Der Mensch wurde seinem Herrschaftsauftrag nicht gerecht

Ähnlich kann sich das erste Verständnis von Texten nochmals wesentlich ändern, wenn man ihren literarischen Kontext beachtet. Im Fall von Gen 1 zeigt der weitere Fortgang mit der Sintflutgeschichte, dass der Mensch dem Herrschaftsauftrag nicht gerecht wurde, die Welt vielmehr (beinahe) ins Chaos verkommen ließ. Und der Garten, von dem es in Gen 2,15 heißt, dass der Mensch ihn bebauen und bewahren soll, ist das Paradies, aus dem wir nach Gen 3,22-24 vertrieben sind. Dass man solche weiteren Zusammenhänge nicht einfach ignoriert, wenn man mit biblischen Texten argumentiert, ist nur schon aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit geboten. Und häufig lohnt es sich auch, weil die damit erschlossenen weiteren Sinndimensionen der Texte auch für das theologische Nachdenken über die Probleme von heute bedeutsam sind.

ANNETTE SCHELLENBERG
Professorin für Alttestamentliche Wissenschaft am Institut für Alttestamentliche ¬ Wissenschaft und Biblische Archäologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien