Der Februaraufstand vor 90 Jahren und seine Opfer

Marie Zimmermann gehört zu den Todesopfern des Februar 1934, und sie ist das einzige Opfer, das der Reformierten Kirche angehörte.

An ihrem Schicksal zeigt sich die tragische Seite, die vielen zivilen Opfer, dieses „Aufstands“ vom 12. bis zum 15.2.1934, den manche „Februarkämpfe“ oder „Österreichischen Bürgerkrieg“ nennen.

Frühe Jahre

Marie Zimmermann wurde 1895 geboren, stammt aus Wien, wuchs in Ottakring auf und wurde römisch-katholisch getauft. Ihr Vater war als Tischler tätig. Sie war seit 1922 mit einem Polizisten, Rayonsinspektor Karl Zimmermann, verheiratet und hatte einen 1922 geborenen Sohn Robert. Beide Ehepartner wurden erst im Zuge ihrer Eheschließung evangelisch H.B. Einen Beruf hatte sie möglicherweise gelernt, spätestens seit der Hochzeit kümmerte sie sich jedoch ausschließlich um den Haushalt. Das lässt auf einen gewissen bescheidenen kleinbürgerlichen Wohlstand der Familie Zimmermann schließen, den das Gehalt eines Polizisten gewährleistete.

Die Tragik der Februartage 1934

Als Gattin eines Polizisten stand es ihr an, nicht politisch links zu denken. Sie gehörte „der sozialdemokratischen Partei nicht an“, wie es später in einem Polizeibericht lautete. Am 14. Februar 1934 wurde sie im Rahmen der Februarereignisse erschossen. In der Sterbematrik der Reformierten Stadtkirche findet sich der entsprechende Eintrag: „Durchschuss d[es] Brustkorbes, Verblutung i[n] d[er] linken Brusthöhle“. Die Familie Zimmermann wohnte zu dieser Zeit im Karl-Marx-Hof. Im sozialdemokratischen Aufstand gegen das Dollffuß-Regime im Februar 1934 wurde der Karl-Marx-Hof zu einem besonderen Brennpunkt: Für die aufständische Sozialdemokratie war er ein symbolträchtiges Zentrum, gerade deshalb aber für die Regierung ein besonderes Ziel.

Die Opfer der Kämpfe

Der Kampf um den Karl-Marx-Hof begann, wie der Bürgerkrieg insgesamt, am 12. Februar. Die Familie Zimmermann war mit ihrer Wohnung mitten im Geschehen. Es ist anzunehmen, dass Maria Zimmermann als Frau eines Polizisten, und ebenso ihr Sohn im Karl-Marx-Hof massiven Anfeindungen ausgesetzt waren. Sie flüchtete deshalb mit dem 13-jährigen Sohn Robert „am 14.2.1934 aus ihrer im Karl-Marx-Hofe gelegenen Wohnung zu ihrem Bruder Robert Linke, als plötzlich ein aus dem Karl-Marx-Hof abgegebener Schuss kam und sie tödlich verletzte,“ so der Polizeibericht über den Tod Marie Zimmermanns. Sie wurde zwar noch in das Allgemeine Krankenhaus verbracht, es konnte ihr aber nicht mehr geholfen werden. Die Einsegnung war am 21. Februar 1934 am Ottakringer Friedhof und wurde von ihrem Traupfarrer, Johann Egli, durchgeführt. Bei der Flucht aus dem Karl-Marx-Hof wurde auch der 13-jährige Sohn Robert „durch einen Gewehrschuss am Hinterhaupt schwer verletzt, überlebte aber“, wie es der Polizeibericht über ihn vermerkt.

Der Bürgerkrieg im Februar 1934 gehört in vielerlei Hinsicht zu den tragischen Ereignissen der Geschichte Österreichs. Das besonders Tragische am Schicksal Marie und Robert Zimmermanns liegt jedoch darin, dass diese an den Kämpfen gar nicht teilgenommen hatten. Sie gehörten zur Gruppe der sogenannten Nicht-Kombattanten. Von 360 Todesopfern der Februarereignisse gehörte etwa jeweils ein Drittel der Gruppe der Aufständischen, der Exekutive und der (mehr oder minder) unbeteiligten Nicht-Kombattanten an.

Der Februaraufstand und die Evangelischen Kirchen

Die Niederschlagung des Februaraufstandes der Sozialdemokraten nahm die Evangelische Kirche kaum wahr. Sie beschäftigte sich intensiv mit der Frage, wie man mit dem sich seit Mai 1933 konstituierenden Ständestaat umgehen sollte. Von den insgesamt elf Evangelischen, die im Zuge der Februarereignissen ums Leben kamen, waren zehn evangelisch A.B., nur Marie Zimmermann war H.B. Von den elf Toten waren vier Aufständische, davon drei in der Steiermark, einer in Wien. Zwei Todesopfer waren Exekutivbeamte, beide in Wien.

Karl-Reinhart Trauner
Militärsuperintendent des Österreichischen Bundesheeres, Privatdozent für das Fach Kirchengeschichte an der Universität Wien

Foto:
Februardenkmal Rathauspark wikimedia commons