Vor 500 Jahren zu Pfingsten fand der Bildersturm in Zürich statt und damit ein Startschuss für die reformierte Reformation.
In drei Teilen beschreibt Universitätsassistent Thomas Scheiwiller diesen reformatorischen Aspekt.
Ist Bilderverehrung Götzendienst?
Die Reformation des Glaubens im 16. Jahrhundert geht mit einer Revolution des religiösen Zeichenverständnisses einher. Die bis anhin via Bilder und liturgische Geräte übertragene ›Kraft des Heiligen‹ wird von den Protestanten hinterfragt und in sog. Bilderstürmen auch radikal zum Ausdruck gebracht. Doch wie wird das Bilderverbot theologisch begründet und welche Funktion wird den Bildern in der Frühen Neuzeit zugeschrieben?
Allein das Wort
Die Reformation hat die christlichen Medien nicht grundlegend abgelehnt, sondern auf die aus ihrer Sicht wesentlichen Medien reduziert: allen voran auf das Wort, worauf auch der Zürcher Leutpriester Zwingli hingewiesen hat. Dabei wird das Wort in der Bibel offenbart und in Form der Bekenntnisse sowohl als Glaubenslehre zusammengetragen als auch im Sinne eines kirchlichen Selbst- und Rechtsverständnis artikuliert. Dieser Zuschnitt auf das Wort wird mit den sinnlichen Zeichen der Sakramente Taufe und Abendmahl ergänzt. Der auf die Kanzel und den Taufstein – also Wort und Sakrament – begrenzte Kirchenraum, der sich den Altären und Bildern entledigte, war schon zur Reformationszeit eine Eigenheit und ein Merkmal der Reformierten.
Zwinglis Bildkritik
Ausgehend von einer pointierten Stelle in Zwinglis Schrift, „Wer Ursache zum Aufruhr gibt“, aus dem Jahr 1524, sollen im Folgenden einzelne theologische Punkte zur Bilderkritik erörtert werden:
„Man streitet auch unter Christen darüber, ob man Gottes- und Heiligenbilder haben solle oder nicht. Schau nach 2. Mose 20,4, da findest du es eindeutig gesagt, daß man sie nicht haben soll. Dennoch will man mit viel menschlicher Spitzfindigkeit beweisen, wie die Bilder uns lehren und zu Andacht und Tugend erziehen. Das geschieht aber alles ohne Grund des Glaubens. Wo rechter Glaube ist, da weiß dieser wohl, daß er nicht von den Götzen und Bildern an den Wänden herrührt, sondern vom Gottesgeist, der uns zu Gott hinzieht [vgl. Joh 3,6-7; 6,44]. Er erkennt auch, daß sein Gott ein unsichtbarer, unabbildbarer Gott ist, der unterschieden sein will von den Abgöttern, für die man den Prunk und Trug der Götzenbilder errichtete.“ (ZS I, 368)
Zwinglis Theologie wird als ›spiritualistische‹ oder auch ›pneumatologische‹ umschrieben. Der Geist Gottes wirkt unmittelbar direkt und nicht vermittelt über Medien, was auch in der Ablehnung einer Realpräsenz im Abendmahlsstreit deutlich wird. Eine Vermittlung des Glaubens über den Umweg des Bildes lehnt Zwingli mit Verweis auf das Bilderverbot im Dekalog ab: von außen wirkt die Schrift und von innen der Geist. Eine Bildvermittlung sei unbiblisch. Nur der göttliche Geist könne eine Glaubensbeziehung aufbauen – das Bild ist nur ein flüchtiger Reiz. Ebenso verwehrt Zwingli sich der Abbildung Christi, dem alleinigen Heilsmittler. Weder könne dessen göttliche Natur abgebildet werden noch dürfe seine menschliche Natur verehrt werden. Zwingli lehnt die sakralen Bilder nicht nur ab, sondern duldet diese – im Unterschied zu Luther – nicht einmal. Allerdings handelt es sich bei Zwingli weniger um ein absolutes Bilderverbot als vielmehr um die Ablehnung, unsichtbare Geschöpfe darzustellen und zu verehren.
Heiligenbilder als Götzendienst?
Auch wenn Zwingli von sich behauptet, dass er „für andre menschen lust hab in schönem gemäld und ständen bilden“ – also mehr als andere Menschen Freude an Bilder und Statuen hat -, so bewertet er diese theologisch nicht als ›neutrale Dinge‹. Luther hingegen hat Bilder und Statuen als neutrale Dinge, als sog. adiaphora bzw. mesa bezeichnet, da diese für die Heilsvermittlung weder positiven noch negativen Einfluss hätten. Zwingli, der privat auch der Musik sehr zugewandt war, hat alle unbiblischen Medienimpulse aus dem Kirchenraum entfernen lassen. Diese radikale Medienreduktion ist darauf zurückzuführen, dass Zwingli im Heiligenbild selbst den Götzen festgemacht hat. Als mögliche Versuchung sollen die Bilder daher verboten werden. Luther hingegen zieht die Grenze erst bei Anbetungsformen, die die Werkgerechtigkeit miteinbeziehen. Nicht das Bild selbst, sondern das in es projizierte Gotteswerk ist der Götze. Daher ist es für Luther im Gegensatz zu Zwingli möglich, Bilder im weiteren Verlauf seiner reformatorischen Arbeit auch pädagogisch einzusetzen. Allerdings erwähnt Zwingli im Rahmen seiner Bildkritik auch Ausnahmefälle. Zum einen plädiert er dafür, dass die Kirchenfenster bestehen bleiben, sofern sie keine obszönen Motive aufweisen. Zudem würde die Distanz zu den Kirchenfenstern, das Anbeten unmöglich machen. Nicht nur, dass das Herausschlagen aller Kirchenfenster finanziell und organisatorisch nicht hätte bewerkstelligt werden können, sie hatten schlicht und einfach keine liturgische Funktion. Zum anderen erwähnt Zwingli die Skulptur Karls des Großen hoch oben auf dem Karlsturm des Großmünsters. Wie die Kirchenfenster war auch die Statue für eine Anbetung zu weit weg. Zwingli schreibt, „das mich die bilder wenig verletzen mögend, daß ich sy übel sehen mag“. Dem Wortlaut nach wird das theologische Argument zusätzlich von Zwinglis Kurz- bzw. Fehlsichtigkeit unterstützt.
Der Zweck der Bilder
Die reformierten Theologen haben sich sowohl gegen den pädagogischen Anspruch von Bildern als auch gegen die ikonische Darstellung Christi ausgesprochen, d.h. gegen eine sich im Bild widerspiegelnde Inkarnation Gottes. Ein Grund ist sicherlich die Funktion des Bildes in der Frühen Neuzeit. Bilder wurden wie alle Handwerksprodukte zum Gebrauch hergestellt: als Kultbilder, um die Liturgie zu bereichern; als Andachtsbilder, um die individuelle Frömmigkeit zu steigern oder als Votivbilder, um das Versprechen für den himmlischen Beistand darzustellen. Zwingli lehnt die Bilder ab, weil ihre Funktion im Kirchenraum nicht eindeutig ist: sie haben sowohl eine Erinnerungs-, als auch eine Verweis- und Schutzfunktion – sie sind Memoria, Ikone und Reliquie zugleich. Erst in der Aufklärung bzw. in der Romantik werden Bilder endgültig von kirchlichen Kontexten gelöst. Sie werden jetzt als eigene Kunstwerke wahrgenommen. Aufgrund der Neubewertung der Kunst in der Moderne wird Luther in Gustav Königs Stahlradierung „Luther dämpft den Bildersturm“ aus dem Jahr 1851 zum Bewahrer der Kirchenkunst stilisiert. Im Kontrast dazu sitzt eine Figur in der rechten unteren Ecke und beobachtet missmutig, wie Luther die Bilderstürmer besänftigt. Die markante Mütze und die außergewöhnliche Darstellung im Profil lassen darauf schließen, dass es sich um einen weiteren Reformator handelt – um Zwingli. Für den humanistisch geschulten Zwingli ist es selbstverständlich: der über die Souveränität Gottes und das Verhältnis von Geist und Wort gelingende reformierte Glauben ist mit der unbiblischen Funktion der Bilder nicht in Einklang zu bringen. Der Glaube kann nicht über Bilder vermittelt werden, da sie zur Verführung und Missinterpretation verleiten, wodurch „eine gewisse Gefahr der Entwertung des Glaubens droht“.
Thomas Scheiwiller
Universitätsassistent am Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
*Alle 3 Teile werden demnächst ungekürzt mit Literaturangaben hier zu finden sein…