Offener Brief an Bundeskanzler Kern & Vizekanzler Mitterlehner

Mitglieder des Presbyteriums der Evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B Bregenz bringen Bedenken bezüglich CETA und TTIP zum Ausdruck.

Bregenz, am 4.10.2016

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Vizekanzler,

als Mitglieder des Presbyteriums der Evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B Bregenz wollen wir mit diesem Brief unsere Bedenken bezüglich der Freihandelsabkommen CETA und TTIP zum Ausdruck bringen. Eingangs möchten wir feststellen, dass wir eigentlich Befürworter von Handel und Handelsabkommen sind. Handel fördert den Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und entwickelt eine friedliche Zusammenarbeit von Nationen.

CETA und TTIP regeln jedoch – trotz ihrer Bezeichnung als „Freihandelsabkommen“ – keinen freien Handel. Nein, es ist ein speziell reglementierter Handel zwischen Menschen und Organisationen bestimmter Staaten. Eine dieser Regeln besagt: Es darf keinen Schutz der schwächeren Partner geben, denn dieser Schutz (z.B. Zölle, Marktreglementierungen) stellen (für die stärkeren) „Handelshemmnisse“ dar. Dieser fehlende Schutz für Kleinunternehmer und Kleinbauern verschiebt die Machtverhältnisse zu Gunsten von Großkonzernen und wirkt sich auf die kleinen Selbstständigen existenzgefährdend aus.

In den betroffenen Ländern Nordamerikas und Europas haben wir es mit weitgehend gesättigten Märkten zu tun. Die durch die Freihandelsabkommen versprochene Ausweitung des Handelsvolumens wird daher tatsächlich zu einer Verdrängung anderer Handelspartner führen. Diese werden natürlich diejenigen sein, deren Interessen durch CETA und TTIP nicht geschützt sind: die ärmeren Länder des Südens. Im Sinne einer Gerechtigkeit für die Menschen Afrikas, Lateinamerikas und der armen Länder Asiens lehnen wir daher die Abkommen ab.

Ein Punkt, auf den westliche Demokratien – zu Recht – besonders stolz sind, ist die Entwicklung unabhängiger Gerichte, die für eine von Interessen und Lobbyismus freie Rechtsprechung sorgen. Diese sorgt für einen Schutz der Schwächeren gegen willkürliche Übergriffe von Reichen und Mächtigen. Gerade diese Gerechtigkeit soll durch die „Schiedsgerichte“ (auch wenn diese bei Ceta nicht sofort kommen sollen – aber später?) ausgehebelt werden, bei denen zumindest berechtigte Zweifel an ihrer Unabhängigkeit bestehen.

Und zuletzt muss auch das Versprechen betrachtet werden, das hinter den Freihandelsabkommen steht. Es geht darum, dass dieser Freihandel zu günstigeren Preisen und zu zusätzlichem Wirtschaftswachstum führen soll. Wir sollten aber auch die Kehrseite der Medaille ansehen: Wirtschaftswachstum ist immer mit einer Zunahme des Ressourcenverbrauchs und damit der Umweltzerstörung verbunden. Bereits heute beuten wir die (nachhaltig) zur Verfügung stehenden jährlichen Ressourcen innerhalb von 8 Monaten aus – brauchen wir Abkommen, die diesen Vorgang noch beschleunigen?

Wir ersuchen Sie, sich mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einzusetzen, dass die vorgesehenen Abkommen nicht abgeschlossen werden oder so abgeändert werden, dass sie einen gerechten Handel ermöglichen, unsere demokratischen Grundprinzipien nicht gefährden und unsere Umwelt nicht gefährden.

Im Namen des Presbyteriums