Erstmals unternahm eine hochrangige Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich eine Reise ins Heilige Land, die vom 10. bis 15. Februar dieses Jahres stattfand. Der Besuch diente der Begegnung mit den einheimischen Christ:innen sowie mit Vertreter:innen von Organisationen und Institutionen, die sich für Frieden und Versöhnung in Israel und Palästina einsetzen. Der Delegation gehörten der armenisch-apostolische Bischof und ÖRKÖ-Vorsitzende Tiran Petrosyan, der katholische Linzer Bischof Manfred Scheuer, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld sowie der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura an.

Eindrücke aus einem zerrissenen Land
Gleich nach unserer Ankunft in Tel Aviv besuchten wir den österreichischen Botschafter Nikolaus Lutterotti. Er berichtete von den Bemühungen rund um die Freilassung der damals noch von der Hamas gefangen gehaltenen Geisel mit österreichisch-israelischer Doppelstaatsbürgerschaft Tal Shoham. Das ganze Land sei nach dem 7. Oktober traumatisiert worden.
Am Abend, es war schon nach dem Ende des Schabbats, bezogen wir Quartier im Österreichischen Pilgerhospiz in der Altstadt von Jerusalem, nahe des Damaskustores mit Blick auf den Felsendom. Orthodox gekleidete Juden waren auf dem Heimweg von der Klagemauer. Am nächsten Morgen wurde ich vom Muezzin der benachbarten Moschee geweckt. Nach dem Frühstück schlenderten wir durch fast menschenleere Gassen. Viele Läden hatten geschlossen. Auch das eine Folge des 7. Oktobers und des Gaza-Kriegs.
Seit damals ist der Pilger-, und Touristenstrom nahezu versiegt und damit auch die Einnahmequellen der einheimischen palästinensischen Bevölkerung.
Begegnungen mit Kirchenführern
Bei den Begegnungen und Gesprächen mit dem Lateinischen Patriarchen Kardinal Pizzaballa, dem Armenisch-Apostolischen Patriarchen Manougian und dem Lutherischen Bischof Ibrahim Azar erfuhren wir von der schwierigen Lage der einheimischen Christ:innen. Sie alle waren dankbar über unseren Besuch, in einer Zeit, in der sonst keine kirchlichen Gruppen das Land bereisten. Unsere kirchlichen Partner sind sehr besorgt über den steigenden Druck auf Christ:innen. Die wirtschaftliche und politische Lage führt zu verstärkter Auswanderung der einheimischen christlichen Bevölkerung.
Besuch katholischer und evangelischer Schulen
Ein ähnliches Bild zeigte sich bei unseren Besuchen in christlichen Privatschulen in Jerusalem, in der Westbank oder in Nazareth. Diese Schulen mit christlichen und muslimischen Schüler:innen sind Oasen, in denen Versöhnung und Respekt gegenüber anderen gelehrt und gelebt wird in einem Meer von Hass, Intoleranz und Gewalt. Schüler:innen erzählten uns von ihren Träumen, in Freiheit und ohne Besatzung zu leben, aber die Realität sieht anders aus. Deshalb planen die meisten Schüler:innen nach der Matura nach Europa oder in die USA zu gehen, weil sie hier keine Zukunft für sich sehen.
Friedens-, und Versöhnungsarbeit
Wir nutzten diese Reise auch für Begegnungen und Gespräche mit Menschen, die sich für Versöhnung und Frieden einsetzen. Wir trafen Vertreter:innen von Organisationen, die Christinnen und Christen unterstützen, die regelmäßig Angriffen von extremistischen Siedlern ausgesetzt sind. Dazu gehört Tag Meir (Licht bringen), ein Dachverband von knapp 50 Organisationen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, aus einem tiefen jüdischen Glauben heraus alle Formen von Rassismus, Hetze und Hassverbrechen in der israelischen und palästinensischen Gesellschaft zu bekämpfen und die Werte der Toleranz, des gegenseitigen Verständnisses und des Respekts vor dem Anderen als authentische, jüdische Werte zu fördern. Eine Frau, die ihren Sohn beim Massaker am 7. Oktober verloren hatte, wollte danach nicht Rache, sondern suchte den Kontakt zu palästinensischen Opfern von israelischer Gewalt. Sie sagte im Gespräch auf die Frage, ob dieses Engagement nicht hoffnungslos sei, wir können es uns nicht leisten zu resignieren. Wir müssen etwas für den Frieden tun.
Zu Gast in Bethlehem
In Betlehem waren wir in der Dar al-Kalima Universität zu Gast. Der Direktor, Mitri Raheb, früher lutherischer Pfarrer in Bethlehem, bezeichnete seine Kunstuniversität als ein „Haus der Hoffnung“. Mit Kunst und Kultur könne man die Herzen und Köpfe der Menschen erreichen“, um die Gesellschaft zum Besseren zu verändern, zeigte sich Raheb überzeugt. Die Universität in Betlehem zählt rund 550 Studierende, zwei Drittel sind Frauen, drei Viertel Muslime.

Obwohl die Perspektiven für Christinnen und Christen düster sind, sind sie für die Region von immenser Bedeutung. Die kirchlichen Einrichtungen sind im Westjordanland der drittgrößte Arbeitgeber in der Region nach der Autonomiebehörde und dem UNO-Hilfsorganisation UNRWA für palästinensische Flüchtlinge.
Zeit zum Gebet
Es war aber auch Zeit für das Gebet. So versammelten wir uns zu Andachten und Gebeten in der Grabeskirche bzw. Auferstehungskirche in der Altstadt von Jerusalem wie in der Geburtskirche in Bethlehem oder in der Lutherischen Erlöserkirche in der Altstadt und wir nahmen teil an der Gebetsstunde der Benediktiner in der Dormitio auf dem Zionsberg.
Mein Resümee: Vieles in Israel und Palästina, das ich gehört und gesehen habe, ist trostlos und deprimierend, aber es ist schön zu sehen und zu erleben, wie Menschen trotz allem Hoffnung schöpfen und Orte der Hoffnungslosigkeit in Orte der Hoffnung und eines friedlichen Miteinanders verwandeln. Was im Kleinen geschieht, sollte auch für die Politik Vorbild sein: dem anderen als Mensch zu begegnen, die Bereitschaft das Land und die Ressourcen zu teilen. Wäre der Wille zu diesem Zusammenleben da, könnte dieses zerrissene Land für alle Religionen und für die beiden Völker, Israelis und Palästinenser zu einem Paradies werden.
Thomas Hennefeld