Ökumenische Pressereise ins Land der Schweizer Reformation


LSI Hennefeld reiste mit dem römisch-katholischen Bischof Benno Elbs und mit einigen Journalisten nach Zürich und Genf im Vorfeld des Zwinglijahres 2019

500 Jahre Reformation – was in der lutherischen Kirche schon 2017 gefeiert wurde, steht 2019 in der reformierten Kirche am Programm. Der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld und der Vorarlberger römisch-katholische Bischof Benno Elbs nahmen das Jubiläum von Huldrych Zwinglis erster Predigt im Zürcher Großmünster zum Anlass für eine Reise in das Kernland der „reformierten Reformation“. Begleitet wurden Elbs und Hennefeld bei ihren Begegnungen mit Schweizer KirchenvertreterInnen von JournalistInnen österreichischer und südtiroler Medien.

Auf Zwinglis Spuren – Stadtführung durch Zürich

„Als Huldrych Zwingli im Jänner 1519 im Zürcher Großmünster zu predigen begann, war das ein Skandal: Erstens predigte er auf Deutsch, zweitens folgte er nicht der Perikopenordnung“, sagt die Schweizer Pfarrerin Catherine McMillan. Sie ist die offizielle Reformationsbotschafterin der Zürcher Reformierten Kirche für das bevorstehende Zwinglijahr 2019. Die TeilnehmerInnen der Pressereise stimmte sie mit einer Stadtführung auf den Spuren Zwinglis auf das „reformierte Reformationsjubiläum“ ein. Zwingli sei in vielen seiner Ansichten durchaus radikal gewesen, dennoch habe er zu Unrecht einen schlechten Ruf, meint McMillan und spricht unter anderem das Bilderverbot des Reformators an: „Natürlich hat Zwingli gemeint, wir brauchen keine Bilder in den Kirchen, weil der Mensch selbst Ebenbild Gottes ist. Aber er hatte nichts gegen bildliche Darstellungen an sich.“ So ist auch die berühmte deutsche Übersetzung des Neuen Testaments, die im Großmünster aufliegt, reichlich mit Bildern versehen. Besonders daran ist zudem, dass Zwingli bei dieser von Erasmus von Rotterdam inspirierten Übersetzung auch Juden zu Rate zog: ein Novum im antisemitischen Milieu, in dem er lebte. Aus der Gruppe der Bibelübersetzer ging übrigens auch die spätere Theologische Fakultät und damit die Keimzelle der Zürcher Universität hervor, erzählt Zeno Cavigelli, Kommunikationsbeauftragter der römisch-katholischen Kirche in Zürich. Er führte durch das vorreformatorische Zürich: „Im Mittelalter gab es hier drei Bettelorden, davon ist aber heute nur mehr eine Kirche erhalten. Der Rest sind Banken“, sagt Cavigelli mit einem Augenzwinkern. Katholische Gottesdienste sind übrigens erst seit 1807 wieder erlaubt; heute aber ist die Stadt Zürich wieder mehrheitlich katholisch, in den ländlichen Gegenden des Kantons überwiegen die Reformierten.

Generalvikar Josef Annen: Bei Reformationsjubiläum in Zukunft schauen

Die ökumenische Dimension der Zürcher Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum 2019 betonte der Zürcher römisch-katholische Generalvikar Josef Annen im Gespräch mit den österreichischen JournalistInnen. „Die Reformierten feiern jetzt ohnehin schon seit zwei Jahren. Nächstes Jahr aber laden wir zu einer gemeinsamen Feier ins Großmünster ein. Das ist ein wichtiges Zeichen.“ Annen erinnerte auch an die negativen Auswirkungen der Reformation: „Die Aufhebung der Klöster zum Beispiel nahm Frauen die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Das bedeutete eine Verarmung. Auch die Geschichte der Täuferbewegung ist so eine Schattenseite.“ Dennoch solle im Jubiläumsjahr nicht der Blick in die Vergangenheit – positiv oder negativ – vorherrschen: „Wir feiern unseren gemeinsamen Glauben an Christus, wollen in die Zukunft schauen, haben einen gemeinsamen Auftrag in diesem Kanton.“

Zürcher Fraumünster: Über Geld wollte Chagall nicht reden

„Als Marc Chagall 1968 gefragt wurde, ob er die Fenster im Zürcher Fraumünster gestalten wollte, war er der Idee sehr zugetan. Als man ihn fragte, was das kosten sollte, meinte er aber: ‚Über Geld wollen wir jetzt nicht reden!‘“ Niklaus Peter, Pfarrer der alten reformierten Kirche im Herzen Zürichs, spart nicht mit Dramatik, wenn er von der Geschichte der berühmten Fenster im Altarraum seines Arbeitsplatzes erzählt. Sein Vorvorgänger, Peter Vogelsanger, hatte den weltberühmten Künstler Chagall im Zuge einer Ausstellung auf das mögliche Projekt angesprochen. Als man ihm letztlich einen Preis von 150.000 Franken vorschlug, meinte Chagall, das sei zwar eher ein „symbolischer Lohn“, willigte aber doch ein. Doch nicht nur wegen seiner Fenster ist der Fraumünster berühmt. Rund um das im Jahr 853 gegründete Kloster und dessen Kirche wurde Zürich buchstäblich erbaut; die Benediktinerinnen – durchweg aus gutem adeligen Haus, so Pfarrer Peters – hätten die Stadt deutlich geprägt. Die letzte Äbtissin war es dann, die von den Ideen Zwinglis angetan war und die Kirche den Reformierten übergab. Peter aber will die Kirche nicht als historischen oder musealen Raum verstanden wissen. Wenn er Führungen durch seine Kirche anbiete, dann beginne er gerne mit einem Vergleich: „Diese Kirche ist wie ein Computerchip. Stellen Sie sich vor, wie viele Gebete hier seit 853 gebetet, wie viele Lieder gesungen worden sind. Das ist alles hier gespeichert.“ Der Kirchenraum solle eine Verwandlung im Menschen anstoßen – ein Wort, das bei vielen BesucherInnen auf Irritationen stoße. „Ich sage dann: Erwarten Sie nicht, dass Sie als Engel oder als Heiliger die Kirche verlassen, aber erwarten Sie, dass dieser geistige Innenraum etwas in Ihnen verändert.“

Die Unterdrückung der Täufer – Zwinglis Schattenseite

„Der Anstoß des Konflikts Zwinglis mit den Täufern war eigentlich nicht die Erwachsenentaufe. Vielmehr ging es zunächst um einen Generationenkonflikt“, erzählt Peter Dettwiler. Der frühere Ökumenebeauftragte der Zürcher reformierten Kirche widmet sich der Aufarbeitung des Verhältnisses Zwinglis zu den Täufern – und es ist noch viel zu tun, wie er bemerkt: „Es gibt in Zürich keine Statuen oder Denkmälern von den ersten Täuferführern Felix Manz oder Konrad Grebel. Erst 2004 wurde ein Gedenkstein an der Limmat verlegt, in der viele Täufer ertränkt wurden.“ Manz und Grebel waren beide rund 15 Jahre jünger als Zwingli. Ihnen war der Reformator in den 1520ern nicht radikal genug, sie forderten die Abschaffung der Messe, die völlige Verbannung der Bilder. „Zwingli und sein Nachfolger Bullinger haben die Täufer dann unterdrückt und verfolgt, sie wollten sie an der Wurzel ausrotten – was ihnen nicht gelungen ist.“ Viele seien ausgewandert, in der Schweiz selbst aber blieben die Täufer, die die Kindstaufe radikal ablehnten, über 300 Jahre verfolgt. Vor allem als die Stadt Zürich gesetzlich die Taufe von Kindern innerhalb von acht Tagen nach der Geburt vorschrieb, eskalierte die Situation. Und noch 1952 wurde ein Antrag auf ein Denkmal für die Bewegung vom Stadtrat abgelehnt – mit der Begründung, Staatsfeinden könnte man kein Denkmal errichten. Dettwiler aber ist um Verbesserung bemüht: „Wir sind nicht die Täufer, aber wir sind gewissermaßen Zwillinge. Wir können viel voneinander lernen, ohne unsere Identität zu verlieren.“

Auszug aus dem Blog zur Pressereise im Vorfeld des reformierten Reformationsjubiläums.
Den gesamten Block inklusive Fotos finden Sie auf evang.at