No one is safe until everyone is safe

Position der Zustände zum COVAX-Mechanismus, Weltkarte. Erstellt für wikimedia.commons

Die COVID Krise ist erst dann vorbei, wenn sie für alle vorbei ist

Zum Bild:
Grün: Staaten, die COVAX unterzeichnet haben
Hellgrün: Staaten, die Interesse bekundet haben
Blau: Staaten, die Unterstützung erhalten
Gelb: Berechtigt zur Unterstützung
Grau: keine Positionierung
Rot: Unterstützung seit 2021

Nicht mehr nur der christliche Gedanke von globaler Solidarität, sondern auch die reinen Gesetze der vernünftigen Logik reichen aus, um zu verstehen, dass die COVID Krise erst dann vorbei ist, wenn sie für alle vorbei ist. Die systematische Vernachlässigung der Länder unserer Projektpartner im globalen Süden werden uns zum Verhängnis.

Dass die geschwisterliche Gleichheit aller Menschen eine ethische und moralische Herausforderung ist und bleibt, aber leider kaum über Ansätze in der Realität verfügt, hat die Coronakrise wieder einmal ungeschönt vor Augen geführt. Wir haben diese Tatsache durch den intensiven Kontakt zu unseren Projektpartnern auf dem afrikanischen Kontinent leider im vergangenen Jahr zur Genüge bezeugen müssen. Zu Beginn der Pandemie schrieb Pfarrerin Loveline Bih aus Kamerun: „Jeder hat Panik, das Monstervirus, das wie ein Dieb in der Nacht gekommen ist, verängstigt uns alle beispiellos. Die Frage der ohnehin leidenden Bevölkerung Kameruns ist nun, wie wir beide Krisen gleichzeitig bewältigen sollen. Wir sind gezwungen, neue Lebensweisen einzuschlagen. Und ich muss sagen, diese Herausforderung ist wirklich überwältigend. Die Situation wird uns vielleicht sogar in eine neue Krise führen.“

Friedensarbeit und Entwicklungsarbeit

Mit dieser zweiten Krise meinte sie die bürgerkriegsähnlichen Zustände, in denen sich der westliche englischsprachige Teil Kameruns seit mittlerweile gut vier Jahren befindet. Loveline Bih ist Pfarrerin der Presbyterianischen Kirche in Kamerun und arbeitet in einer Gemeinde der Hauptstadt Yaounde. Hier ist sie mit dem Leid von Binnenflüchtlingen aus den Bürgerkriegsgebieten konfrontiert. Als Friedensarbeiterin führt sie in Kamerun Workshops für Jugendliche durch, um sie für Möglichkeiten der Gewaltprävention zu sensibilisieren. Seit Herbst 2019 ist sie Stipendiatin des EAWM, um den internationalen zweijährigen Universitätslehrgang „Peace Studies“ zu absolvieren. Hier wechseln sich Praxisblöcke in Innsbruck und Fernstudium im Heimatland ab. Die Präsenzblöcke in Innsbruck wurden wegen der Pandemie auf Eis gelegt, das Studium ist ins Stocken geraten, ebenso wie ihre Arbeit in Kamerun, da Workshops und Veranstaltungen in der Kirche im Zuge der Corona Maßnahmen untersagt wurden. Sie musste, wie viele andere NGO-MitarbeiterInnen, miterleben, wie Früchte jahrelanger mühevoller Entwicklungszusammenarbeit in kurzer Zeit wieder zunichte gemacht wurden. Die wirtschaftliche Katastrophe durch die Lockdowns und die geringen medizinischen Versorgungs- und Beatmungskapazitäten haben fragile Länder wie Kamerun besonders hart getroffen und machen berechtige Sorgen vor zunehmenden Unruhen. Von den weltweit zusätzlich für Corona Hilfsmaßnahmen ausgegebenen 11,7 Billionen US Dollar wurden 83% in den 36 reichen Ländern und nur 0,4 in den 59 einkommensschwächsten Ländern, worunter sich Kamerun befindet, ausgegeben, so hat die Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) errechnet.

Systematische Unterversorgung

Seit 2002 zählen SARS-Viren laut ÖFSE zu den sogenannten Neglected Deseases (ND), den Krankheiten, die vernachlässigt werden, da hauptsächlich arme Länder des globalen Südens davon betroffen sind, wie etwa Malaria, Aids und Tuberkulose. In diesem Fall hat sich die Vernachlässigung gerächt. Erst seit der Covid-19- Krise wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um an der Impfung dagegen zu forschen. Und auch jetzt zeigt sich die systematische Unterversorgung Afrikas an der Impfung wieder deutlich. Der Impfnationalismus hat dazu geführt, dass die Länder des globalen Südens bis jetzt viel zu wenige Impfdosen erhalten, so Matshidiso Moeti, Afrikadirektorin der Weltgesundheitsorganisation laut ORF am 30. April 2020. WHO-Generaldirektor Ghebreyesus kritisiert die Kluft zwischen den armen und reichen Ländern und spricht von einem moralischen Versagen. Obwohl die EU prinzipiell zugestimmt hat, die Impfstoffinitiative Covax der WHO zur gerechten Verteilung von Corona-Impfstoffen finanziell zu unterstützen, überwiegt bei fast allen Ländern die Ansicht, die eigene Bevölkerung durchzuimpfen, und – zumindest bisher – der aus der Sicht des globalen Südens gierige Griff nach Impfstoff für die Sicherung des eigenen Wohlstandes ohne Blick auf die ganze Menschheitsfamilie. Jedes Mal, wenn Nachrichten von Lieferengpässen ertönen, kann man sehr schnell das Ende der solidarischen und gerechten Haltung in Impffragen der internationalen Gemeinschaft beobachten. Bereits zu Beginn des Jahres warnte die WHO vor einer langwierigen Verschleppung der Epidemie, wenn reiche Länder wie Kanada nun beginnen, Impfstoffe zu horten. Doch die Vernachlässigung des globalen Südens hat System. Es geht darum, den Ländern unserer Projektpartner nicht jene Entwicklungschancen einzuräumen, die für die Bekämpfung von Armut und Existenzbedrohung breiter Bevölkerungsschichten dringend notwendig wären. Auf diese Art und Weise bleiben arme Länder in sozialer, wirtschaftlicher und gesundheitspolitischer Hinsicht gefügig. Das ausbeuterische System reicher – auch westlicher – Länder ist davon abhängig, wenn es im Hintergrund um die Fragen von Bodenbesitz, die Sicherung von Bodenschätzen und neue Absatzmärkte geht. Für die Arbeit des EAWM und seiner Partnerkirchen bedeutet dies aber, dass unsere Projektarbeit ebenso fragil ist. Das widerspricht jedem Grundgedanken christlicher ökumenischer Solidarität und bringt uns stattdessen immer wieder in die untragbare Position von christlichen Almosen.

Nur gemeinsam durch Impfung für alle

Tatsächlich wurden durch die Covax-Initiative bis zum 26. April 2021 40 Millionen Impfdosen an die 92 ärmsten Länder des Programms verteilt. Auch in Kamerun sind die ersten Impfdosen vor kurzem eingetroffen. Doch nun zeigt sich wieder, dass auch das westliche Almosengetue die Welt nicht retten wird. Loveline Bih berichtet uns jüngst, dass sich kaum jemand aus den christlichen Gemeinden unserer Partnerkirche impfen lassen möchte, wenn der Impfstoff erst einmal ausreichend zur Verfügung steht. Für Angelika Weber, die Kamerunreferentin unserer Partnerorganisation Mission 21 in Basel, könnten die Gründe dafür in einer Ablehnung gegenüber dem gönnerhaften großen Bruder, den westlichen Ländern, liegen. Die Impfskepsis, die es ja auch bei uns zu lande gibt, existiert ebenso auf dem afrikanischen Kontinent. „Die Theorien reichen auch bis zu Bill Gates, der uns nun durch seine Impfung alle unfruchtbar machen will, damit wir nicht mehr so viele Babys bekommen“, berichtet Weber über die Stimmung in Kamerun. Am 31. März 2021 startete der African Council of Religious Leaders – Religions for Peace – eine neue Kampagne. In einem gemeinsamen Papier stellen sie zusammen klar, dass das Covid-19-Virus real ist, gefährlich, und eine Impfung dagegen für eine Rückkehr zur Normalität unumgänglich ist. Diese Einstellung teilen auch wir im EAWM. Genau wie das grundsätzliche Wissen darüber, dass wir es nur alle gemeinsam über nationale Grenzen hinweg aus dieser Krise heraus schaffen werden. Solang nicht alle mit im Boot sitzen, wird niemand von uns damit gerettet werden, das liegt nun mal am ansteckenden Charakter einer Viruspandemie. Wir sollten die systematisierte Vernachlässigung der Länder unserer Partnerkirchen aus christlicher Nächstenliebe und Solidarität heraus bekämpfen. Zurzeit sollte das aber gerade jede und jeder, sei es auch nur aus reiner logischer Vernunft heraus, tun.

Mag. Desiree Prammer, Obmann-Stellvertreterin, Öffentlichkeitsreferentin

Mag. Moritz Stroh, Obmann des EAWM

Der Evangelische Arbeitskreis für Weltmission arbeitet seit 1952 solidarisch mit Partnerkirchen des globalen Südens durch gemeinsame Projektarbeit in der christlichen Entwicklungszusammenarbeit. Seit Oktober 2020 ist Moritz Stroh neuer Obmann als Nachfolger von Manfred Golda.

Weitere Infos dazu finden Sie auf: www.brennpunkt.kamerun
https://www.oefse.at/publikationen/aktueller-kommentar/ und: www.eamw.at