Lustvoll die Welt retten!

Autor Christof Drexel (rechts) mit Co-Autor Wolfgang Mörth bei der Buchpräsentation „Zwei Grad. Eine Tonne.“ am 5. April in der Buchhandlung Brunner in Bregenz. © Lisa Mathis

Wie wir das Klimaziel erreichen können

Interview mit dem Buchautor von „Zwei Grad. Eine Tonne.“ Christof Drexel.
Sabine Gritzner-Stoffers hat das Interview geführt.

Sabine Gritzner-Stoffers: Herr Christof Drexel, Sie sind gelernter Maschinenbauer und haben viele Jahre als Gebäude- bzw. Lüftungstechniker gearbeitet. Im April dieses Jahres ist Ihr Buch „Zwei Grad. Eine Tonne.“ erschienen. Was meint der Buchtitel?

Christof Drexel: Die zwei Grad wurden im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris als schlimmstenfalls erträgliche globale Erwärmung festgeschrieben. Die eine Tonne hingegen ist jene Emission an CO2-Äquivalenten, also an Treibhausgasen, die jedem Menschen auf der Erde dann noch zusteht. Aktuell liegen wir in Mitteleuropa etwa bei 12 Tonnen pro Person, da ist also eine ganz eklatante Verringerung erforderlich.

Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht dafür nötig?

In meinem Buch kombiniere ich drei Strategien: erneuerbare Energien (Sonnenenergie, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse), Effizienz auf allen Ebenen (z.B. gut gedämmte Gebäude) und Veränderungen in Bezug auf den Lebensstil. Ohne unseren heutigen westlichen Lebensstil zu hinterfragen, wird es m.E. nicht möglich sein, das Klimaziel rechtzeitig zu erreichen.

Wo sehen Sie Einsparungspotentiale im Lebensstil des/der Einzelnen?

Ich habe in meinem Buch zehn verschiedene Lebensbereiche (Ernährung, Mobilität, Fliegen, Konsum, Bauen und Wohnen, etc.) angeführt und wir können uns in jedem einzelnen Bereich fragen: „Was würde es bedeuten, emissionsärmer zu leben?“
Bei der Ernährung kann man beispielsweise schon sehr viel bewirken, wenn man den Fleischkonsum und den Konsum von Milchprodukten reduziert. Dabei genügt es, sich an die Ratschläge der Weltgesundheitsorganisation zu halten (einmal pro Woche Fleisch/Fisch, weniger Milchprodukte). Eine gesunde Ernährung ist eine klimafreundliche Ernährung und umgekehrt.

Es müssen also nicht alle Vegetarier/Veganer werden?

Das ist vollkommen richtig! Wenn wir die drei oben genannten Strategien kombinieren, genügt es, wenn wir mit unserem Lebensstil eine Reduktion von zwölf auf neun oder acht Tonnen erreichen.
Die gebotene Radikalität liegt vielmehr darin, dass es im Hintergrund – auf politischer und gesellschaftlicher Ebene – Maßnahmen braucht, die diese Veränderungen auf breiter Ebene ermöglichen.

Sie haben dieses erste Kapitel „Lustvoll die Welt retten“ genannt.

Genau, weil ich glaube, dass ein emissionsärmerer Lebensstil lustvoll möglich ist! Viele dieser klimafreundlichen Maßnahmen bewirken letztlich eine Steigerung der Lebensqualität. Ein gutes Beispiel dafür scheint mir das Fahrrad zu sein: Fahrradfahren verbindet Emissionsreduktion mit gesunder Betätigung.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die sog. „Dieseldebatte“?

Die Dieseldebatte kommt zum richtigen Zeitpunkt: man merkt, dass man auch mit hochentwickelten Abgassystemen an Grenzen der Gesundheit bzw. Sicherheit stößt. Es herrscht einigermaßen große Ratlosigkeit … daran wird deutlich, dass diese Mobilität des Individualverkehrs in eine Sackgasse geraten ist. Ich persönlich gehe davon aus, dass es in zehn oder zwanzig Jahren keine fossil betriebenen Autos mehr geben wird, sondern nur mehr elektrische Fahrzeuge.
Interessant sind hier auch die sogenannten Fahrradstädte wie Freiburg, Münster, Amsterdam oder Kopenhagen. Dort ist der Fahrradverkehr doppelt so stark ausgeprägt wie in anderen europäischen Städten. Die Gründe dafür liegen in einer Kommunalpolitik, die das Fahrradfahren angenehmer und einfacher macht.

Sehen Sie auch in Vorarlberg Potential in dieser Hinsicht?

Auf jeden Fall! Denken wir nur an die Fahrradstraßen in Wolfurt: nirgends in Vorarlberg gibt es in Relation zur Einwohnerzahl ein so langes Netz an Fahrradstraßen.

Können technische Errungenschaften wie das intelligente Stromnetz (Smart Grid) helfen, die CO2-Emissionen zu reduzieren?

Die im Zuge der Digitalisierung sich rasant entwickelnde Technologie ist sicher hilfreich in Bezug auf die Erhöhung der Effizienz und den Einsatz von erneuerbaren Energien. Wir dürfen nur nicht dem Glauben verfallen, dass mit der „richtigen“ Technik alle Probleme gelöst sein werden, das sage ich als Maschinenbauer. Es bedarf eines grundsätzlichen Überdenkens unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems.

Was meinen Sie damit?

Es geht dabei um den Gedanken des unendlichen Wachstums, der unseren Wirtschaftssystemen zugrunde liegt: auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen wird das nicht möglich sein! Hier ist ein radikales Umdenken verbunden mit einer Umschichtung der Steuerlast erforderlich: Ressourcen (Energie, Rohstoffe) müssen teurer werden, Arbeit dagegen deutlich billiger. Diese rigorose Umschichtung bewirkt Veränderungen auf allen Ebenen: die Emissionen werden reduziert, Reichtum und Wohlstand werden weltweit gerechter verteilt. Wenn Arbeit billiger und Ressourcen teurer werden, lohnt sich das Reparieren, was wiederum die Ressourcen schont usw. Ich habe diese Mechanismen u.a. in dem Kapitel „Frieden durch globale Gerechtigkeit“ ausführlich beschrieben.

Brauchen wir das Wirtschaftswachstum um glücklich zu sein?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass das immerwährende Wachstum, das immerwährende Größer – Schneller – Weiter, nicht dazu taugt, uns wirklich glücklich zu machen … dass es uns keinen Sinn gibt.

Auf der Welt leben über sieben Milliarden Menschen – inwieweit kann der/die Einzelne etwas bewirken?

Ich bin davon überzeugt, dass das Handeln des Einzelnen eine sehr große Rolle spielt. Wir wissen aus der Geschichte, dass einschneidende gesellschaftliche Veränderungen nie verordnet oder beschlossen wurden, sondern immer entstanden sind – an vielen Orten, unabhängig voneinander. Und irgendwann wird das alles so groß, dass dann auch der Gesetzgeber nachzieht.

Sie haben diesen Veränderungsprozess mit einem Seerosenteich verglichen.

Ja, genau: ein großer Teich wächst zuerst langsam, dann aber immer schneller mit Seerosen zu. Jeden Tag verdoppelt sich die Anzahl der Seerosen. Wenn ein Viertel des Teichs voll ist, ist es tags darauf die Hälfte und dann dauert es nur noch einen Tag bis der Teich völlig zugewachsen ist. Das Bild zeigt, wie schnell das mit den Veränderungen plötzlich gehen kann …

… mich erinnert dieses Bild an die vielen Gleichnisse, die Jesus zum Reich Gottes erzählt: da hat auch etwas im Kleinen angefangen und wächst, bis es einmal ganz Wirklichkeit sein wird.
Sie sind Vater von zwei Söhnen – wie blicken Sie in die Zukunft?

Wer das Buch liest, wird erkennen, dass ich sehr konstruktiv und auch positiv in die Zukunft blicke. Ich erlaube mir trotzdem die Einschätzung, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass wir das Zweigradziel halten können. Im Moment spricht nicht sehr viel dafür, wenn wir die aktuellen Entwick¬ lungen betrachten. An wenigen Orten wird wirklich intensiv daran gearbeitet.
Auf der anderen Seite bin ich überzeugt davon, dass jeder Einzelne nicht mehr tun kann als daran zu arbeiten. Je mehr Menschen das tun, umso wahrscheinlicher wird es, dass dieses Ziel doch noch gehalten werden kann. Solche Phasen des Wandels können, wie wir aus der Geschichte wissen, manchmal sehr schnell gehen.
Ich schaue weder pessimistisch noch optimistisch in die Zukunft. Ich bin sehr gespannt. Und freue mich einfach, an diesem Thema arbeiten zu können.