Iglesia Evangélica Española

Die Iglesia de Cristo IEE in Madrid (Iglesia_Evangélica_Española) @unsplash(zarateman

Die Spanische Evangelische Kirche

Spanien verbindet man mit vielem, unter anderem mit Urlaub am Meer, Fußball, Siesta und Tapas. Wahrscheinlich würden wenige an die sozial sehr engagierte Iglesia Evangélica Española (IEE; Spanische Evangelische Kirche) denken. Sie wurde 1869 gegründet und ist Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Konferenz Europäischer Kirchen, der Konferenz Protestantischer Kirchen der lateinischen Länder Europas, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und des World Methodist Council. Sie ist eine Verwaltungs- und Bekenntnisunion aus reformierten und vor allem in Katalonien und auf den Balearen beheimateten methodistischen Gemeinden.

Eine unierte Kirche

Die einflussreiche Inquisition und die Abschottung des katholischen Spaniens erstickten alle reformatorischen Bemühungen im Keim, sodass spanische evangelische Theologen ins Exil fliehen mussten. In Basel wurde 1569 die erste protestantische Übersetzung der Bibel ins Spanische veröffentlicht, die nach der Illustration auf der Titelseite so genannte Biblia del Oso („Bärenbibel“). Danach wurde es um den spanischen Protestantismus für ein paar Jahrhunderte still. Erst zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert kam es zu einer starken Ausweitung der im Pietismus und in der Erweckungsbewegung verwurzelten britischen, deutschen und amerikanischen Missionen Richtung Spanien. Daraus entstand ein Potpourri an Traditionen, aus denen die verschiedenen Gemeinden stammen: reformiert, presbyterianisch, lutherisch, methodistisch, kongregationalistisch.

Die Spanische Reformierte Kirche

1869 fand erstmals in Sevilla eine Generalversammlung der vor allem presbyterianisch geprägten Gemeinden aus Andalusien und Madrid statt: Die „Spanische Reformierte Kirche“ wurde geboren. 1872 nahm sie das presbyterianische System an und änderte den Namen auf „Spanische Christliche Kirche“. 1886 schlossen sich die kongregationalistischen Gemeinden an, die vor allem im Baskenland angesiedelt waren. In den darauffolgenden Jahren kamen auch weitere Gemeinden hinzu. 1955 beschloss die spanische methodistische Kirche, die aus den 1869 in Katalonien und auf den Balearen angekommenen britischen und amerikanischen methodistischen Missionen entstanden war, sich der Spanischen Evangelischen Kirche anzuschließen. Zu diesem Anlass verabschiedete die Synode eine überarbeitete Fassung ihres Glaubensbekenntnisses und ihrer Kirchenordnung und gab sich den aktuellen Namen „Spanische Evangelische Kirche“.

Vom Anfang an war der spanische Protestantismus der Anfeindung durch den Staat und der katholischen Kirche ausgesetzt. Tiefe historische Wunden hinterließen vor allem die Verfolgung, Ermordung oder Exilierung von evangelischen Pastoren durch das Franco-Regime. Die Konsequenzen sind bis heute spürbar. Der Franquismus erlaubte evangelischen Pastoren die Einzahlung von Sozialbeiträgen nicht, da ihre Beschäftigungskategorie im Gegensatz zu jener der katholischen Priester nicht anerkannt wurde; folglich konnten weder evangelische Pastoren noch ihre Witwen eine Pension erhalten. Obwohl die Verfassung von 1978 die Gleichbehandlung von allen Religionsgemeinschaften vorschreibt, gewährt das Gesetz Pastor:innen erst seit 1999 die Einzahlung von Sozialbeiträgen. Für das Einkommen der bereits in den Ruhestand versetzten Pfarrerschaft musste die Kirche allein aufkommen. Im April 2012 sieht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) das Recht auf Gleichstellung von katholischen und protestantischen Pfarrern durch Spanien verletzt. Das Urteil wurde dennoch nicht umgesetzt und die betroffenen Pastoren bzw. deren Witwen mussten einzeln vor Gericht gehen, um die Anerkennung ihres Rechts zu erreichen.

Eine diakonische Kirche

Aus dem deutschsprachigen Raum kamen wichtige Impulse. Fritz Fliedner kam als erster deutscher evangelischer Missionar 1869 nach Spanien und gründete Schulen, Buchhandlungen und diakonische Werke für Bedürftige. Die Stiftung, die heute seinen Namen trägt, erfüllt ihren Auftrag im Dienst der Lehre, der theologischen Ausbildung, des sozialen und kulturellen Engagements, und weiß sich nicht nur dem spanischen Protestantismus, sondern auch der spanischen Gesellschaft im Allgemeinen verpflichtet. Das diakonische Engagement bestimmt auch heute maßgeblich die Arbeit der landesweiten Kirche und der örtlichen, recht kleinen Pfarreien. Neben Altersheimen und Heimen für Kinder aus Familien mit Problemen legt sie besonderes Augenmerk auf die Frauenarbeit, Gleichstellung von Homosexuellen, Unterstützung für Migrant:innen und Hilfsbedürftige, u.a. mit Tafel-Einrichtungen, die aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit unentbehrlich geworden sind. In der Offenheit gegenüber sozialen und ethischen Themen liegt auch die Stärke der spanischen Pastor:innen.

Heute zählt die Iglesia Evangélica Española zirka 2.000 Mitglieder und besteht aus sechs Presbyterien, wobei die Regionalsynode von Katalonien die größte Diözese bildet. Die acht vor allem aus der methodistischen, aber auch presbyterianischen Tradition stammenden Gemeinden im Großraum Barcelona werden von der katalanischen Landesregierung und von den örtlichen Kommunen stark eingebunden: Die traditionell katalanischsprachigen Gemeinden werden als kulturelles und historisches Erbe wahrgenommen.

Die Jugend als größte Herausforderung

Die starke Verbindung der katholischen Kirche mit dem Franquismus hatte bei den meisten, insbesondere in den Städten lebenden Spanier:innen, eine antikirchliche Tendenz zur Folge, die auch die evangelische Kirche trotz ihres Widerstandes gegen die Diktatur nicht verschont hat. Das mangelnde Interesse an der Kirche und am Glauben ist bei den jüngeren Generationen erheblich. Zum ersten Mal in der spanischen Geschichte bildeten 2021 Atheisten und Agnostiker bei den unter 34-Jährigen mit 56,2 % die Mehrheit, bei den 18- bis 24-Jährigen betrugen sie sogar 63,5 % (Fundació Francesc Ferrer i Guàrdia 2021). Die „Spanische Evangelische Kirche“ sieht sich bei den jüngeren Generationen mit einem neuen kulturellen Kontext konfrontiert, der über den Glauben hinaus einen holistischen Ansatz verlangt. Ihre Pastor:innen sind sich einig: Sie brauchen keine theologisch hochgestochenen Antworten auf Fragen zu geben, die niemand stellt. Sie wissen auch, dass sie Strukturen und Ekklesiologie neu überdenken müssen, wollen aber keinen populistischen Lösungen zum Opfer fallen. Ein erfolgreiches Rezept fehlt, zumal der Generationenwechsel in schwindelerregendem Tempo stattfindet. Die Pfarrerschaft rechnet damit, dass ihre Kirche trotz aller Bemühungen irgendwann verschwinden wird. Ein kleiner Hoffnungsschimmer tat sich 2021 auf, als sie die Jugendlichen zu einer eigenen Synode einlud; diese erschienen zahlreich und bekundeten die Bereitschaft, an der Neugestaltung der Kirche mitzuarbeiten.

Angelo Comino