Hennefeld: „Gesetze müssen Menschen dienen, nicht der Absicherung von Macht“

Mit einem Gottesdienst, bei dem der Reformator Ulrich Zwingli im Mittelpunkt stand, und anschließendem „Wurstessen“ erinnerte die evangelisch-reformierte Kirche an den Beginn der Reformation in der Schweiz vor 500 Jahren. Foto: epd/T. Dasek

Erinnerung an „Zürcher Wurstessen“ als Initialzündung der Schweizer Reformation

„Weihnachten und Ostern feiern und gleichzeitig zu schweigen oder zuzustimmen zur permanenten Demütigung und Ausgrenzung jener, die es sowieso schwer haben, ist Ketzerei, ist das, was Zwingli so scharf verurteilte.“ Angesichts der geplanten Neuregelung der Asyl-Rechtsberatung und zunehmender sozialer Spaltungen hat der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld Kirchen in die Verantwortung gerufen. Bei einem Gottesdienst anlässlich des „reformierten“ Reformationsjubiläums – vor 500 Jahren begann in Zürich die Schweizer Reformation – in der Wiener reformierten Stadtkirche, sagte Hennefeld am Donnerstag, 11. April: „Heute wird eine halbwegs funktionierende soziale Struktur mutwillig beschädigt, Menschen in einem der reichsten Länder der Welt in die Armut getrieben, und das Menschenrecht auf Asyl wird ausgehöhlt.“ Der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli, der 1519 sein Amt als Prediger im Zürcher Großmünster angetreten hatte, habe dagegen „einen besonderen Blick für das Wohl der Menschen“ gehabt, Zusammenhalt, Ausgleich in der Gesellschaft und Bekämpfung der Armut angestrebt. Heute spiele jedoch der Populismus Gruppen gegeneinander aus um die eigene Macht abzusichern.

Kritik am wirtschaftsliberalen Paradigma

Gesetze, Regeln und Ordnungen müssten den Menschen und der Gesellschaft dienen, nicht aber „der Absicherung von Macht und Tyrannei“, unterstrich der Landessuperintendent und Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) in seiner Predigt. Scharfe Kritik äußerte Hennefeld auch am wirtschaftsliberalen Paradigma: „Manche Menschen, auch in unserem Land, frönen einem hemmungslosen Liberalismus und verstehen unter Freiheit, sich zu nehmen, was sie kriegen können. Das entspricht nicht dem Freiheitsverständnis Zwinglis.“

Zürcher Wurstessen „Mit Thesenanschlag von Wittenberg vergleichbar“

In seiner Predigt knüpfte Hennefeld seine Kritik am gegenwärtigen Umgang mit Gesetzen an die historischen Entstehungsbedingungen der Reformation in der Schweiz: „Gesetze, Gebote und Regeln des Menschen nützen nichts für die Seligkeit. Wer menschliche Lehren dem Evangelium gleichstellt, ist im Irrtum.“ Einen Höhepunkt der Reformation hatte das „Wurstessen“ von 1522 gebildet. Damals war der Zürcher Buchdrucker Christoph Froschauer gemeinsam mit seinen Gesellen, Zwingli und einigen anderen am ersten Sonntag der Fastenzeit zusammengekommen, um Würste zu essen – ein Bruch mit den strengen Fastenregeln der römischen Kirche zu der Zeit. „Das war ein Ereignis, das in seiner Bedeutung für die Reformation in der Schweiz mit Luthers Thesenanschlag in Wittenberg vergleichbar ist.“ Zwingli sei es „um die Befreiung von tyrannischen Vorschriften“ gegangen. „Das Lechzen nach Wurst steht für eine neue evangelische Freiheit und für die Zuwendung zum Nächsten.“

Vor 500 Jahren habe Zwingli scharf kritisiert, wenn „mit Menschenfleisch gehandelt“ und Menschen dadurch zur Ware werden. Hennefeld: „Mit dem Verkauf von Menschenfleisch werden auch heute prächtige Geschäfte gemacht: Zwangsprostitution, Kinderarbeit und Kinderprostitution, Organhandel oder alle Arten moderner Sklaverei und Ausbeutung bis zu dem 1,50 € Stundenlohn für Asylwerber.“ Viele Menschen, so Hennefeld weiter, „lechzen nach einem Leben in Würde, einem Leben, in dem sie genug zu essen haben, und wenige von ihnen kommen zu uns, möchten endlich auch in Freiheit leben können“.
Wien (epdÖ)