Grundsicherung für alle

Die Grafik zeigt die soziale Ausgrenzung (in %) in Österreich im Jahre 2016, Quelle: Eurostat (ilc_peps11) © Jakob 1994 wikimedia

Kirchen wollen Grundsicherung für alle Menschen in Österreich

Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Prokschi, und Stellvertreter Hennefeld im „Radio Klassik“-Interview über notwendige soziale und wirtschaftliche Schritte nach der Coronakrise

Ihre Forderung nach einer Grundsicherung für alle Menschen in Österreich haben die Spitzenvertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) bekräftigt. ÖRKÖ-Vorsitzender Prof. Rudolf Prokschi und sein Stellvertreter, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, haben im Interview auf „Radio Klassik Stephansdom“ gerade angesichts der Corona- und Klimakrise verstärkte Anstrengungen gefordert, um Menschen in Not im Land solidarisch beizustehen.

Hilfsgelder, um Armut zu stoppen

Die Politik nehme derzeit zwar sehr viel Geld in die Hand, um die Wirtschaftsbetriebe zu stützen. Der Blick der Kirchen richte sich in dieser Situation aber gerade auf die vielen Menschen, die durch Corona ihren Arbeitsplatz verloren haben und in Armut abzugleiten drohen, so Prokschi. Wie Landessuperintendent Hennefeld ergänzte, gehe es dem ÖRKÖ vor allem darum, ob die nun von der Regierung ausgeschütteten Hilfsgelder tatsächlich dazu beitragen würden, weitere Armut im Land zu verhindern. Die beiden ÖRKÖ-Vertreter verwiesen in diesem Zusammenhang auf die jüngste Erklärung des Vorstands des Ökumenischen Rates. Wenn man zu den Arbeitslosen und den Menschen in Kurzarbeit auch noch die Familienangehörigen hinzurechnet, befinde sich ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung in einer prekären Situation, hieß es darin. Vor diesem Hintergrund sei eine Grundsicherung für alle Menschen in diesem Land dringend notwendig. Dies könnte zugleich der Auftakt für eine klimafreundliche Ausrichtung der Wirtschaft und eine solidarische Gestaltung der Gesellschaft sein.

Für Umverteilung von Reich zu Arm

Hennefeld warnte im „Radio Klassik“-Interview vor einem weiteren Auseinanderdriften der Gesellschaft. „Es muss einen Ausgleich in der Gesellschaft geben“, und das bedeute eine Umverteilung von Reich zu Arm. Deshalb dürfe die Wirtschaft nun auch nicht einfach wieder „hochgefahren“ werden in einen Vor-Corona-Modus. Sorgen bereiteten Hennefeld auch antidemokratische Tendenzen in einigen europäischen Ländern.

Hennefeld wörtlich: „Ich appelliere an die Politik, aber auch an alle anderen Verantwortlichen, jetzt diese Krise zu nutzen, um grundsätzlich darüber nachzudenken, wie wir unser Wirtschaftssystem, aber auch unser Zusammenleben so transformieren können, damit es zukunftsfähig ist und bleibt. Damit auch die nächsten Generationen eine Welt vorfinden, in der man gut leben kann.“

Nicht unbedingt „bedingungslos“

Wie die von den Kirchen geforderte Grundsicherung im Detail aussehen soll, sei Aufgabe der Experten, so Prokschi und Hennefeld übereinstimmend. Ein sogenanntes „bedingungsloses Grundeinkommen“ sei damit jedenfalls nicht automatisch gemeint, sagte Prokschi. „Der Mensch verwirklicht sich ja auch durch Arbeit“, stellte der ÖRKÖ-Vorsitzende fest. Für ihn liegt in einer Grundsicherung jedenfalls auch der Ansporn begründet, „dass Arbeit geschaffen und diese gerecht entlohnt wird“.

Hennefeld mahnte in diesem Zusammenhang eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Arbeit ein. Schon in der jüngsten ÖRKÖ-Erklärung sei darauf hingewiesen worden, dass Arbeit weit mehr sei als bloße Erwerbsarbeit. Noch deutlicher als vor der Pandemie-Krise stehe jetzt auch die Unverzichtbarkeit von Arbeit im Dienst der Familie, der Pflege, der Erhaltung der Natur, der Bewahrung des Kulturerbes usw. vor Augen. Auch diese Arbeit sei zu bewerten und existenziell abzusichern. Und der Landessuperintendent ging sogar noch einen Schritt weiter: „Wenn wir von der Schöpfungsverantwortung ausgehen, dann müssten einige Arten von Arbeit ja sogar negativ entlohnt werden, weil sie Schaden anrichten.“

Red.