Glotzt nicht so romantisch!

Fotos: Lager Kara Tepe © M. Punz/Twitter

„Menschen aus den griechischen Flüchtlingslagern zu retten!“ ist das erklärte Ziel der zivilgesellschaftlichen Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“. Es geht um konkrete Schritte zur Schaffung von sicheren Plätzen für Asylsuchende in Österreich.

Griechische Lager evakuieren! – wo liegt das Problem?

Niemand wird abstreiten, dass sich auf den griechischen Inseln in den Flüchtlingslagern seit Jahren ein Menschenrechtsskandal abspielt. Den einen dient er zur Abschreckung, den anderen dazu, die Unmenschlichkeit innerhalb des Asylsystems zu beweisen. Die Schuld für diese Zustände wird immer anderen Stellen angelastet – der EU, der griechischen Regierung oder der eigenen Regierung. Eine echte Lösung ist da durch konkrete Initiativen möglich, denen es nicht ums Debattieren, sondern ums Handeln geht. Eine dieser zivilgesellschaftlichen Initiativen nennt sich „Courage – Mut zur Menschlichkeit“. Ohne der Schuldfrage allzu viel Aufmerksamkeit zu widmen, haben sich im September letzten Jahres Personen aus den Bereichen Kunst und Kultur, Wissenschaft und Politik, in Kooperation mit Hilfsorganisationen, Religionsgemeinschaften, Gemeinden, Städten und hunderten Einzelpersonen dazu entschlossen, ein Platzangebot für Flüchtlinge in Österreich zu organisieren. Aus den anfangs anvisierten 144 Plätzen wurden rasch mehrere tausend. Zu den Initiator*innen zählen u.a. die Schauspielerin Katharina Stemberger, der Arzt Marcus Bachmann und die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger. Erste Kooperationspartner waren u.a. die Diakonie Österreich, Ärzte ohne Grenzen Österreich, oder Respekt.net.

BILD zu OTS – Landkarte der „sicheren Plätze“: Mindestens 3.188 sichere Plätze gibt es in Österreich, um Menschen aus den griechischen Lagern zu retten.

Landkarte der „sicheren Plätze“: Mindestens 3.188 sichere Plätze gibt es in Österreich, um Menschen aus den griechischen Lagern zu retten.
Quelle: Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“

Landkarte der sicheren Plätze

Auf ihrer digitalen „Landkarte der sicheren Plätze“ scheint jeder gemeldete Platz in Österreich auf, der für Familien und Einzelpersonen auf der Suche nach Asyl sofort bezogen werden könnte. Wer eine Möglichkeit zur Unterbringung hat und diese im Fall der Fälle bereitstellen würde, kann sich hier eintragen. Auch durch Zeitspenden kann ein wertvoller ehrenamtlicher Beitrag geleistet werden. Es gehe um ein Ende der Debatten und ein beherztes Handeln und darum, die Menschen in den Lagern aus ihrer größten Not herauszuholen. Ein Blick auf diese „Karte der Menschlichkeit“ vermittelt den Eindruck, dass wir in einem sehr gastfreundlichen Land leben … wenn wir nur die Möglichkeit und Erlaubnis dazu bekommen würden. Diese staatliche Zustimmung fehlt bisher.

Flüchtlingslager – Notlager

Sich in der Flüchtlingsfrage zu engagieren führt unweigerlich zu politischen Statements. So fordert die Initiative auf ihrer Website: „Unser wichtigstes Anliegen ist es derzeit, den Druck auf die Bundesregierung und Kanzler Kurz zu erhöhen. Die derzeitige Politik produziert auf den griechischen Inseln absichtlich eine Katastrophe. Österreich macht sich als europäischer „Scharfmacher“ in der Asylfrage mitschuldig. Mitten in Europa erfrieren im Winter Kinder oder an werden an Lungenentzündungen sterben, wenn wir nicht JETZT handeln.“ Und die Nachrichten der Diakonie Katastrophenhilfe, die mit ihren Partnerorganisationen vor Ort tätig ist, bestärkt diese akute Notlage. In dem provisorischen Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos leben derzeit 7.300 Menschen. In diesem als Übergangslager gedachten Areal leben Frauen und Kinder, auch Alte und Kranke in Zelten und sind so selbst im Winter dem Wind und kaltem Wetter ausgesetzt.

COURAGE gefordert

Die Diakonie berichtet darüber: „Die Kinder frieren, die Menschen sind unterkühlt und werden krank und täglich kränker. Es gibt bis jetzt keine ausreichende Essensversorgung, keine Duschen, die diese Bezeichnung verdienen. Die hygienischen Umstände sind untragbar, Mütter mit Babys sind verzweifelt. Was sich derzeit in Griechenland vor unseren Augen und mit stillschweigender Duldung der anderen EU-Mitgliedsstaaten abspielt, sind schwere Menschenrechtsverletzungen.“ Die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln kann keine Woche, keinen Tag mehr warten, und doch warten die Menschen dort schon Monate darauf. Frustriert wird dazu auf der FACEBOOK-Seite von Courage angemerkt: „Nachdem die Bundesregierung versucht, unser Angebot und die überwältigende Hilfsbereitschaft in diesem Land zu ignorieren, starten wir nun eine Kampagne, die dazu beitragen soll, dass die Lage der Menschen in den griechischen Lagern nicht in Vergessenheit gerät.“ Während Hunderte Menschen in den Flüchtlingslagern wie Kara Tepe frieren und hungern, wäre eine Unterbringung von Hunderten Flüchtlingen in Österreich jederzeit möglich. So hat es diese Anfrage an den gesunden Menschenverstand und den Menschenanstand in Österreich seitens der Initiative COURAGE ergeben.

MUT ZUR COURAGE – MUTTER COURAGE

Vor 80 Jahren 1941 wurde das berühmte Drama von Bertolt Brecht „Mutter Courage und ihre Kinder“ im Schauspielhaus in Zürich uraufgeführt. Und auch wenn es thematisch zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges spielt, beschreibt Brecht darin Verhalten und Situationen, die sich so heute wiederholen; auch in dieser Debatte. Brecht fordert Zuseher in all seinen Werken zu einem kritischen und distanzierten Blick auf. Den braucht es, um das Richtige zu erkennen und dann auch zu tun. Das Abscheuliche und Widerliche und Menschenverachtende soll als solches erkannt werden. Und es geht darum, nicht davor zu erstarren, wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern tätig zu werden. Ob die Initiative „COURAGE – Mut zur Menschlichkeit“ ihren Namen in Anlehnung an das Theaterstück Brechts gewählt hat? Jedenfalls wollen die Initiatorinnen und Initiatoren nicht nur kritisieren, sondern beherzt Vorschläge machen. Selten hat man eine so gut durchdachte und doch simple Idee in einer solchen flächendeckenden Umsetzung in Österreich erlebt. Es bleibt zu hoffen, dass auch von Seiten der Entscheidungsträger diese Motive der handelnden Personen als unterstützend und hilfreich gesehen und akzeptiert werden. Bei Mutter Courage fällt der Satz: „Glotzt nicht so romantisch!“ Und es geht bei der Forderung nach einer Verteilung der Asylsuchenden wahrlich keinesfalls um das Einfordern einer Sozialromantik. Schutzsuchende haben das Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung.

Harald Kluge

Mehr Informationen unter
courage.jetzt und unter diakonie.at