Erinnern für die Zukunft – Mauthausen

Stolpersteine, Julius-Heymann-Str. 7, © wikipedia.org

Heuer ist es 73 Jahre her, dass die Häftlinge aus dem Konzentrationslager in Mauthausen befreit wurden.

Schon wenige Tage nach der Befreiung, am 16. Mai 1945, verfassten ehemalige politische Häftlinge den sogenannten Mauthausen-Schwur. Darin heißt es:
„Wir wollen nach erlangter Freiheit und nach Erkämpfung der Freiheit unserer Nationen die internationale Solidarität des Lagers in unserem Gedächtnis bewahren und daraus die Lehren ziehen: Wir werden einen gemeinsamen Weg beschreiten, den Weg der unteilbaren Freiheit aller Völker, den Weg der gegenseitigen Achtung, den Weg der Zusammenarbeit am großen Werk des Aufbaus einer neuen, für alle gerechten, freien Welt.“

Vorwärtsgewandt

Der menschlichen Hölle auf Erden eben erst entkommen, denken diese Menschen nicht nur an sich selbst, sondern an die anderen, die Nächs¬ten, ja an die ganze Welt. Ihre Ideale haben sie nicht verraten und nicht vergessen. Sie ziehen aus dem Schrecken des Erlebten nicht die Konsequenz, Rache zu üben oder zu fordern für das erlittene Leid oder sich nur noch um ihre eigenen Interessen zu kümmern. Dieser Mauthausen-Schwur ist so gesehen ausgesprochen Mut machend. Nicht rückwärtsgewandt im Leid zu versinken, sondern den Blick nach vorne gerichtet, für andere eintreten.

Erinnern für die Zukunft

In alttestamtlich-biblischen Geschichten so wie in der späteren jüdischen Tradition wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sich das Volk Israel erinnern soll an die Zeit der Gefangenschaft und Sklaverei in Ägypten, genauso wie an Flucht und Befreiung. In der Erinnerung daran soll sich das Volk Israel für die Befreiung anderer Menschen und Völker einsetzen. Das ist nicht einfach Gutmenschentum sondern eine Forderung Gottes. Das bedeutet, sich zu erinnern und gleichzeitig diese Erinnerung für die Zukunft fruchtbar machen.

So gehört zum Wesen des Mauthausen-Gedenkens, dass immer auch die Gegenwart eine Rolle spielt. Jedes Erinnerungsjahr hat seinen eigenen Schwerpunkt. Das heutige Gedenken steht unter dem Motto: Flucht und Heimat.

Wie frei sind wir?

Die politischen Häftlinge aus Mauthausen haben sich geschworen, einen Weg in eine friedlichere und gerech¬tere Welt zu beschreiten. Aus diesem Blickwinkel sollten wir alle heute den Herausforderungen unserer Zeit begegnen. Wenn Menschen mit der Erfahrung des KZ so eine hoffnungsfrohe Haltung an den Tag legten, um wie viel mehr müssten Menschen das heute tun in einer freien und sicheren Gesellschaft? Es sollte heute nicht die ers¬te Frage sein: Können wir so viele Flüchtlinge aufnehmen? Oder: wie können wir die Flüchtenden von unseren Grenzen fernhalten? Sondern: Was bedeutet es für einen Menschen, wenn er die Heimat verliert? Statt einer Politik des Verdachts und Miss¬ trauens brauchen wir eine Politik des Mitgefühls. Damit können nicht alle Probleme gelöst werden, aber es kann ein Klima entstehen, in dem der, der abgesichert und verwurzelt ist, dem Bedürftigen mit Respekt und Achtung gegenübertritt.
THOMAS HENNEFELD
Zwischenruf Ö1 vom 6. Mai 2018