Vielfalt leben
In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und wachsender Intoleranz setzt das Döblinger Gymnasium ein bewusstes, starkes Zeichen für Demokratie, Toleranz und ein friedliches Miteinander. Über zwei Monate hinweg wurde im Rahmen eines umfangreichen Pride-, Diversity- und Inklusionsprojekts eindrucksvoll sichtbar, wie Schule weit mehr sein kann als ein Ort der Wissensvermittlung: nämlich ein lebendiger Raum gesellschaftlicher Verantwortung, in dem jutnge Menschen zu reflektierten, empathischen Mitgliedern einer vielfältigen Gesellschaft heranwachsen.
Ein Projekt – viele Facetten
26 verschiedene Projekte wurden im Zeitraum von April bis Juni mit Schüler*innen aller Altersstufen umgesetzt. Ziel war es, zentrale demokratische Werte wie Respekt, Empathie, Gleichberechtigung und Menschlichkeit nicht nur zu vermitteln, sondern erlebbar zu machen. Dabei war das Spektrum der Angebote bewusst breit gefächert: Von Literatur- und Filmworkshops über Stadtführungen, Lesungen, Gesprächsrunden und kreativen Kunstprojekten bis hin zu sportpädagogischen Modulen war alles vertreten, was zur aktiven Auseinandersetzung mit Themen rund um Diversität und Inklusion einlädt. Ein besonderes Highlight war etwa die Drag-Queen-Lesung mit Sassica Rabbit und Patty Fanny. Mit Charme, Witz und einer klaren Botschaft, nämlich, dass in einer diversen Gesellschaft alle Respekt und Akzeptanz leben und erleben sollen, lasen die Künstlerinnen den Schüler*innen ein Märchen vor, das Mut machen soll, andere Menschen so zu nehmen wie sie sind, um ein schönes, gemeinsames Leben miteinander zu schaffen. Ebenso eindrucksvoll war der Besuch von Rory Six, Musicaldarsteller und Komponist, der den Schüler*innen Einblicke in sein Musical „Ein wenig Farbe“ gab – eine bewegende Geschichte über Transidentität und das Suchen nach einem Platz in der Gesellschaft.
Lernen durch Begegnung
Ein zentrales Prinzip des Projekts war das Lernen durch reale Begegnung. So standen etwa bei einem Workshop mit Wittich Mahlknecht persönliche Fragen zu seinem Leben als offen homosexueller Mann und seinem beruflichen Werdegang im Mittelpunkt. In einer anschließenden moderierten Diskussion zum Thema „Queere Repräsentation in Unternehmen“ wurde deutlich, wie wichtig sichtbare Vorbilder und authentische Erfahrungsberichte für die Identitätsbildung junger Menschen sind.
Auch das Thema psychische Gesundheit wurde in das Projekt integriert. Im Rahmen des BASTA-Projekts erhielten Schüler*innen der siebten Klassen die Gelegenheit, sich mit einem Erfahrungsexperten und einem Fachexperten über psychische Erkrankungen auszutauschen. Ziel war es, mit Vorurteilen aufzuräumen, Wissen zu erweitern und für einen offenen Umgang mit seelischen Herausforderungen zu sensibilisieren.
Kreative Ausdrucksformen und nachhaltige Symbole
Ein nachhaltiges Symbol für das Miteinander ist der neu geschaffene „DiversiTree“, der nun das Stiegenhaus der Schule ziert. Gestaltet von der Schulgemeinschaft, visualisiert der Baum unter dem Motto „Hate has no home here“ die bunte Vielfalt des G19 und steht damit sinnbildlich für ein weltoffenes Schulklima, in dem alle willkommen sind – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung.
Auch künstlerisch wurde das Thema Vielfalt kreativ aufgegriffen: Schüler*innen setzten sich mit queerer Literatur auseinander, erkundeten die LGBTQIA+-Geschichte Wiens bei Stadtführungen und reflektierten in Workshops Begriffe wie Glück, Vertrauen und Resilienz. Diese Aktivitäten, darunter auch inklusive Bewegungseinheiten zum Thema „Visibility and Disability“, machten deutlich, wie eng psychisches Wohlbefinden, Akzeptanz und soziale Teilhabe miteinander verbunden sind.
Gesellschaftliche Relevanz und pädagogischer Auftrag
Gerade in Zeiten, in denen Hassverbrechen gegenüber queeren Menschen zunehmen – auch in Österreich – ist es ein wichtiges Zeichen, wenn Schulen aktiv Stellung beziehen. Das Döblinger Gymnasium erfüllt damit nicht nur seinen Bildungsauftrag, sondern nimmt auch eine Vorbildfunktion ein. Im Lehrplan (Grundsatz 6) steht nicht umsonst, dass allen Schüler*innen im Unterricht Gelegenheiten geboten werden müssen, sich reflektiert und kritisch mit Identitäten und Zugehörigkeiten auseinanderzusetzen. Auch sollen Werte, Normen und Traditionen einer aufgeklärten Gesellschaft vermittelt werden, um die Basis für ein gedeihliches Zusammenleben in einer pluralistischen und liberalen Gesellschaft zu gewährleisten.
Dabei geht es nicht darum, Meinungen aufzuzwingen, sondern um altersgerechte Wissensvermittlung, Aufklärung und den Aufbau von Empathie. Die Schule schafft Verknüpfungspunkte und Brücken, wo sonst Unsicherheit oder Vorurteile bestehen. Denn nur wer das „Andere“ kennt, kann es respektieren und wertschätzen.
Ein starkes Miteinander dank vieler Beteiligter
Möglich wurde dieses vielfältige Programm auch dank der engen Zusammenarbeit mit externen Partner*innen und dem starken Rückhalt durch den Elternverein. Diese Kooperation zeigt: Bildung ist eine gemeinsame Aufgabe. Und gelebte Vielfalt ist nur dann erfolgreich, wenn sie von vielen getragen wird.
Zum Abschluss des Projekts konnten die Schüler*innen bei Filmnachmittagen zur Ruhe kommen, reflektieren und die gemeinsamen Erfahrungen wirken lassen. Dabei wurde auch klar: Die Werte, die in diesen Wochen vermittelt wurden, enden nicht mit dem Pride Month. Sie werden weitergelebt – im Schulalltag, in der Haltung der Lehrkräfte und im Miteinander der gesamten Schulgemeinschaft.
Positives Fazit
Das Pride-, Diversity- und Inklusionsprojekt des Döblinger Gymnasiums zeigt eindrucksvoll, wie Schule Räume schaffen kann, in denen junge Menschen sich entwickeln, entfalten und zu selbstbewussten, toleranten Mitgliedern einer demokratischen Gesellschaft heranwachsen können. Ein Projekt, das Mut macht – und das hoffentlich viele Nachahmer findet.
Tammy McMinn, Robert Nehyba
und Valentin Schönpos
Lehrkräfte am G19
