Ehe für Alle

Diskussion innerhalb der Evangelischen Kirche H.B.

Die Hintergrundgeschichte ist bekannt: ein gleichgeschlechtliches Paar hat sich vor einiger Zeit an den Verfassungsgerichtshof gewandt, da ihm bestehendes österreichisches Recht die Trauung am Standesamt verweigerte. 2017 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass diskriminierende, also zwischen hetero- und homosexuellen Beziehungen unterscheidende Passagen in Bezug auf Ehe und Partnerschaft in den jeweiligen Gesetzestexten aufgehoben werden und somit zu streichen sind.

Standesamt macht keinen Unterschied

Christliche Kirchen feiern seit jeher Trauungen als Gottesdienste, in denen ein Paar gesegnet und aus dem Wort Gottes bestärkt wird. Daher stellt sich für unsere Evangelische Kirche H.B. die Frage, ob und wie auf die neue rechtliche Situation bezüglich Ziviltrauung zu reagieren ist. Auf der einen Seite ist grundsätzlich klar, dass eine Kirche in ihren liturgischen Handlungen vom Staat völlig unabhängig ist. Was nach kirchlichem Verständnis eine Ehe und Trauung ist, bestimmt diese Kirche ausschließlich selbst. Die Kirche H.B. segnet seit 1999 Paare, die keinen Trauschein (oder ab 2010 keine Verpartnerungsurkunde) vorlegen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung. Grundlage dafür war die theologische Einschätzung, dass „es falsch wäre, zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft lediglich aufgrund der standesamtlichen Heirat zu unterscheiden“, so das vorbereitende Statement des Theologischen Ausschusses H.B. für die Synode H.B. Im selben Dokument, das dann als Entscheidungsgrundlage gedient hat, wurde festgehalten, dass auch andere Formen des Zusammenlebens, sofern sie in „eheanaloger Weise …begründet und verantwortlich gelebt werden“ von unserer Kirche anzuerkennen sind. Voraussetzung ist „der Wille zu dauerhaftem Zusammenleben, sowie ganzheitlicher personaler Zuwendung und Treue.“

Keine defizitären Partnerschaften

Seither gibt es in der Kirche H.B. für Paare öffentliche Gottesdienste, die in ihrer Wertigkeit einer kirchlichen Trauung entsprechen. Unsere lutherische Schwesterkirche hat im Jahr 1997 auch Segnungshandlungen für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt, allerdings nur im seelsorgerlichen Bereich, also nicht öffentlich. Da ein Trauungsgottesdienst nach Auffassung der Synode H.B. aber ein „begründeter Anlass zur Evangeliums gemäßen öffentlichen Verkündigung ist“, wurde von Anfang an diese Variante ausgeschlossen. Oder, wie es heute im entsprechenden Kirchengesetz H.B. heißt: „Für unsere evangelische Kirche sind nicht-eheliche Partnerschaften keine defizitären Partnerschaften im Vergleich zu ehelichen Partnerschaften, sondern eine eigene Form der Partnerschaft vor Gott und in der Welt.“ Solange staatliches Recht zwischen Ehe (für heterosexuelle Paare) und eingetragener Partnerschaft (für homosexuelle Paare) unterschieden hat, hat unsere Kirche auch den Begriff „Trauung“ ausschließlich für den Segensgottesdient eines standesamtlich verbundenen Paares verwendet. Allerdings wurde schon bei der Synode 1999 in der Diskussion festgehalten, dass eine Trauung eigentlich auch nichts anders als eine Segnung sei und daher eine Segnung auch den Charakter einer Trauung habe. Ursprünglich sollte die Segnungsordnung auch den Titel „Segnung (Trauung) für nicht-eheliche Partnerschaften“ tragen, da es sich bei Segnung und Trauung „um ein und dieselbe Sache“ handle“, wie im Protokoll zu lesen ist.

Eine Trauung ist eine Trauung

Dass doch noch eine exaktere Begriffsklärung, was nach evangelischem liturgischem Verständnis eine „Trauung“ ist, notwendig ist, hat sich bei und in der Vorbereitung der letzten Session der Synode H.B. gezeigt. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hat ja festgehalten, dass eine Trauung eine Trauung ist, ungeachtet der Tatsache, ob das Paar, das den sprichwörtlichen Bund für’s Leben schließt, hetero- oder homosexuell ist. In der Folge hat die Synode H.B. 2017 mehrheitlich in einer Stellungnahme festgestellt: „Bereits seit 1999 betrachtet die Evangelische Kirche H.B. Partnerschaften zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren gleichwertig und bietet für Paare, die auf Dauer zusammenleben wollen, Segnungsgottesdienste an. Daher begrüßt die Evangelische Kirche H.B. in Österreich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, dass diskriminierende Formulierungen in Bezug auf eingetragene Partnerschaften bzw. Ehe aufgehoben werden.“ Allerdings steht derzeit auch in der Evangelischen Kirche H.B. eine ausdrücklich so genannte und als solche verstandene „Trauung“ nur standesamtlich getrauten heterosexuellen Paaren offen. Darüber hinaus gehen die entsprechenden Regelungen in der Kirche H.B. davon aus, dass nur homosexuelle Paare vom Staat „verpartnert“ werden (können) und bietet auch nur diesen einen „trauungsanalogen“ Segnungsgottesdienst an. Einen Segnungsgottesdienst für ein heterosexuelles verpartnertes Paar gibt es derzeit nicht.

Eheverständnis unserer Kirche

Zugegeben, eine verwirrende, unübersichtliche Situation. Zwei Fragen sind bei der nächsten Session der Synode H.B. zu klären: Erstens: Übernehmen wir die (neuen) staatlichen Regelungen und bieten auch Trauungsgottesdienste für standesamtlich getraute gleichgeschlechtliche Paare an? Das hieße, die theologische Entscheidung zu treffen, dass eine (standesamtliche) Ehe eines homosexuellen Paares tatsächlich nicht nur analog oder gleichwertig zu einer traditionellen Ehe zu sehen, sondern tatsächlich ein und das selbe ist. Theologisch, oder vor allem bibelwissenschaftlich gesehen wurde schon in der Vorbereitung der Synode 1999 festgehalten, dass „die historisch bedingte Gestalt der bürgerlichen Ehe nicht kurzschlüssig aus der biblischen Gestalt hergeleitet bzw. zum Zweck ihrer theologischen Legitimation in diese hineingelesen“ werden darf. Anders gesagt: unser in der Kirchengeschichte gewachsenes und in unserer Gesellschaft etabliertes Verständnis von Ehe kann nicht unmittelbar auf bestimmte Bibeltexte zurückgeführt werden. Dennoch ist die bisherige theologische Reflexion über das, was eine Ehe nach evangelischem Verständnis ausmacht, aufzugreifen, wenn nun an die Einführung einer „Ehe für Alle“ gedacht wird. Nicht nur, aber auch führende Stimmen der Reformation wie Johannes Calvin und Heinrich Bullinger haben sich zu dem, was eine christliche Ehe ist, geäußert. Hier wird zu fragen sein, wie ein „Transfer“ in eine Ehe gleichgeschlechtlicher Partner oder PartnerInnen theologisch so gelingt, dass dann auch in der gottesdienstlichen Feier klar erkennbar ist, worum es hier nach dem Verständnis unserer Kirche geht.

Trauung auch für „Ehe light“

Die zweite Frage für die nächste Session der Synode H.B. wird sein: wie ist es theologisch zu bewerten, wenn ein heterosexuelles Paar sich nicht für eine standesamtliche Trauung, sondern nur für eine staatliche Verpartnerung entscheidet und dann einen kirchlichen Segnungsgottesdienst wünscht. Ist das dann die Segnung (und somit ein Gutheißen) einer „Ehe light“? Bisher wurden in der Kirche H.B. ja eingetragene Partnerschaften (die es nur für gleichgeschlechtliche Paare gab) gesegnet. Soll das auch weiter geschehen, wo doch auch homosexuelle Paare nun eine standesamtliche Ehe schließen können? Die Synode H.B. wird darüber eine sachliche und hoffentlich unaufgeregte Debatte am 16. März zu führen haben. Und vor allem eine ohne Angst vor einer möglichen Abwertung der traditionellen Ehe und Familie. Wie Prof. Ulrich Körtner, langjähriges Mitglied der Synode und des Theologische Ausschusses H.B. in einem Beitrag für die Tageszeitung „die Presse“ festgehalten hat: „Kritiker sagen, die Ehe für alle laufe auf die Abschaffung des biblischen Eheverständnisses hinaus. Die Ehe für alle sei am Ende eine Ehe für keinen. Ich meine hingegen, dass die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Gegenteil zu einer Aufwertung der Ehe führt, wobei für mich die für Kinder offene Verbindung von Mann und Frau weiterhin als biblisches Leitbild gilt.“

Johannes Wittich,
Mitglied des Theologischen Ausschusses H.B.