Die Frage nach dem Sinn des Lebens

Aus dem Leben und der Arbeit von Pfarrer Németh, © Privat

Balász Németh hilt diese Predigt Mitte Oktober 2018

Der moderne ungarische Dichter Attila József, der zu meinen persönlich liebsten Dichtern gehört, greift in seinem Gedicht: „Gott stand unmittelbar hinter mir“ einige zutiefst existenzielle menschliche Fragen auf. Er spricht in seinem Gedicht von einer Weltreise – zu verstehen natürlich im übertragenen Sinn: „Ich lief um den ganzen Globus herum, um IHN – Gott – zu finden.“ Hiermit spricht der Dichter das Zentrum aller menschlichen Existenz an … Die große Überraschung im Leben ist, dass wir – obwohl ständig auf der Suche – das Wesentliche nicht finden, sondern genau umgekehrt: WIR SELBST WERDEN GEFUNDEN ! Attila József drückt diesen Gedanken in seinem Gedicht so aus: „Gott stand unmittelbar hinter mir“. Es ist paradox: Wir sind mit unserem Suchen so beschäftigt, dass wir überhaupt nicht wahrnehmen, dass Gott unmittelbar hinter uns steht. Vielleicht sind auch unsere Augen durch das allzu Alltägliche verschlossen, weil wir Gott als den Erhabenen, den vom gemeinen Alltag Losgelösten erwarten … Dass Gott hinter uns steht, ist ein poetischer Ausdruck für den verborgenen Gott … Der verborgene Gott, der hinter uns steht, hat es schwer in einer Welt der Bilderflut, die langsam für sich selbst den Anspruch auf die alleinige Wahrheit erhebt … Der verborgene Gott bewirkt bei Christen oft das Gefühl der Verlassenheit und des vergessen-worden-Seins. So auch bei Attila József: „Entkräftet lag ich am Boden, Gott schaute auf mich herab und half mir nicht“. Viele können diese Worte nachempfinden und nachsprechen. Allerdings waren diese Worte der Verlassenheit für den Dichter nicht der Endpunkt, sondern er setzte fort: „Diese Freiheit ließ mich verstehen, dass ich noch Kraft genug habe, selbst aufzustehen … Er half mir, indem er nicht half.“ Dieser letzte Satz könnte als der poetische Ausdruck für die Nachfolge Christi gedeutet werden, die weder Nachahmung bedeutet als buchstabengetreues Wahrhaben aller Aussagen der Bibel, noch das sklavische Befolgen der Weisungen eines religiösen Führers … Attila József lässt sein Gedicht in der harmonisierenden menschlichen Liebe ausklingen und darin auch die Widersprüche sich auflösen: „Trotzdem erwarte ich meine Liebste mit einem Lächeln.“…

Das Gedicht von Attila Jószef hat mich zu intensivem und nachhaltigem Nachdenken bewogen über die Frage nach dem Sinn des Lebens im Zusammenhang mit dem Grund des menschlichen Seins. Die Antwort kann nur heißen: Die Praxis der Nachfolge Christi.

BALÁZS NÉMETH
Aus einer Predigt Mitte Oktober 2018