Die Botschaft Pieter Breugels des Älteren

Pieter Breugels d.Ä., 1566: Volkszählung zu Bethlehem

Impressionen zur Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum

Die großangelegte Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum mit den Bildern Pieter Breugels des Älteren (1525/30 – 1569) zeigt mit 99 Objekten des niederländischen Künstlers dreiviertel seiner erhaltenen Werke. Sie bietet Gelegenheit, sich über das reichhaltige Schaffen Pieter Breugels d.Ä. ein umfassendes Bild zu machen.

Bauernbreugel

Die Schilderung des Lebens der einfachen Menschen seiner Heimat bildet den roten Faden im Schaffen des Künstlers. Deshalb hat er auch den Beinamen „Bauernbreugel“ erhalten. Nicht das höfische Leben der Adligen und höher Gestellten stand im Mittelpunkt von Breugels Schaffen, sondern das erdgebundene Volk. Man sieht auf den Bildern die einfachen Menschen bei der Arbeit, beim Feiern, beim Vergnügen. Breugel hat geschildert, was die Menschen beschäftigte, z.B. auch die Kinder beim Spielen oder in der Schule. Wir werden vertraut gemacht mit den niederländischen Sprichwörtern. Auf seinen Bildern haben verschiedene Menschentypen Platz – von einfachen Bauern bis zu Dieben, Gaffern, Raffern und Gaunern, aber auch Kranken und Krüppeln.

Die Ängste seiner Zeit

Durch Breugels Bilder lernen wir die Ängste seiner Zeit kennen: die ständige Präsenz des Todes, die Drohung des Letzten Gerichts und die Macht der Dämonen. Vor diesen Dingen hatten die Menschen der frühen Neuzeit eine stets präsente Angst. Es fällt auch auf, dass Breugel zahlreiche winterliche Landschaften gemalt hat – mit Schnee, zugefrorenen Teichen und Flüssen, einem düsteren Himmel und auf vielen Bildern immer wiederkehrenden schwarzen Raben. Das zeigt den Einbruch der damaligen Kältewelle, der sogenannten „kleinen Eiszeit“, die den Menschen ebenfalls große Angst einjagte. Breugel hat die Gesichter und die Gestalten seiner Figuren so präzise und einfühlsam dargestellt, dass sie über ihr Äußeres auch etwas über ihr Inneres und über ihre Gefühle verraten. Das ging so weit, dass man auf seinem Bild „Blindensturz“ feststellen kann, an welchen Augenkrankheiten die Gestalten auf seinem Bild litten.

Gesellschaftskritik

Breugel war auch ein aufmerksamer Beobachter der Geschehnisse seiner Zeit, und mehrere seiner Bilder enthalten eine starke Gesellschaftskritik. Davon zeugt z.B. der Kupferstich „Die großen Fische fressen die kleinen“. In der Mitte dieses Bildes sehen wir einen großen Fisch, aus dessen Maul unzählige kleine Fische herausquellen. Gleichzeitig schlitzt eine Gestalt mit verdecktem Gesicht mit einem großen Messer die Flanke des großen Fisches auf. Auf der Klinke dieses Messers ist der Reichsapfel eingraviert, das Symbol der spanischen Habsburger, die die Niederlande damals besetzt hielten und mit hohen Steuerlasten quälten.

Anklage gegen die Unmenschlichkeit

Auf einem anderen Bild greift der Künstler den Bethlehemer Kindermord auf und versetzt diese Szenerie in die damalige Niederlande. Die Schergen des grauenvollen Kindermordes sind die spanischen Reiter, auf deren Brust der Habsburger Doppeladler abgebildet ist. Der Anführer dieser grausamen Metzelei ist eine schwarz gekleidete Gestalt mit einem weißen Bart. Es ist Herzog Alba, der im Jahr 1566 den Rachefeldzug gegen die widerständigen Evangelischen in den Niederlanden anführte, dabei brandschatzend über das Land zog und 8000 evangelische Prediger töten ließ. Das Bild ist eine einzige Anklage gegen die Unmenschlichkeit und ein Schrei nach Humanität.
Menschwerdung Gottes
Breugel hat nie ein Heiligenbild gemalt, dafür aber etliche Illustrationen biblischer Geschichten. Selbstverständlich wurden auch diese in die dörflichen Niederlande versetzt. Im Vordergrund auch dieser Bilder stand immer die Schilderung des Treibens des einfachen Volkes. So steht auf dem Bild „Volkszählung zu Bethlehem“ das winterliche Treiben der Dorfbevölkerung vor uns. Auch die schwangere Maria, auf einem Esel reitend, reiht sich in das Gesamtgefüge der Bildkomposition ein. Irgendwie atmet das Heilige Paar das Tiefmenschliche ohne Heiligenschein. Eine adäquate Illustration der Menschwerdung Gottes und seiner Solidarität mit den Menschen in der Tiefe. Die Krippe selbst wirkt bruchstückhaft: in einem Gasthaus, das durch einen Kranz gekennzeichnet ist, fast unsichtbar im Dunklen verhüllt. Und auch hier ist die Politik präsent: Das Zeichen des Doppeladlers auf der Wand des Gasthauses und die lange Schlange der Wartenden deuten den starken Steuerdruck Spaniens auf die besetzten Niederlande an.

Kein isoliertes Leiden Christi

Die verborgene Gegenwart Jesu ist zweifelsohne die zentrale Aussage des Bildes „Die Kreuztragung Christi“. Es zeigt Christus, wie er unter dem Kreuz zusammenbricht. Man muss seine Gestalt auf dem Bild lange suchen, fast verborgen ist er inmitten der Masse der Schaulustigen bei diesem Volksspektakel bzw. diesem Theater des Schreckens – wie man eine Hinrichtung damals heute durchaus bezeichnen kann. Nur durch die Platzierung einer Distel im Vordergrund des Bildes hat der Künstler auf die Passion Christi verwiesen. Christi Leiden steht allerdings nicht isoliert da, sondern es ist verbunden mit den anderen Leidenden und Unterdrückten, u.a. den Opfern des grausamen Herzogs Alba. Die zahlreichen Galgen auf dem Bild und die dem Rädern der Verurteilten dienenden Wagenräder, samt den Unheil verkündenden Raben, deuten auf die diversen Tötungsarten für die „unehrenhaften Ketzer“, also die Evangelischen, hin.
Breugel war ein engagierter Künstler, der nicht nur eine Situation meisterhaft schilderte, sondern er war ein Künder der Humanitas. Seine Mahnung zur Menschlichkeit ist heute aktueller denn je.

Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Jänner 2019 zu besichtigen.

Balázs Németh