Der steinige Weg zum Frieden

V.l.n.r. Pfr. Harald Kluge (Gastegeber), Vizeleutnant Hubert Kobald, Evangelischer Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner, Oberst Harald Hasenmayer, Oberst im Generalstab und OSZE Senior Advisor Hans Georg Lüber und Generalstabchef Rudolf Striedinger. Foto: Christoph HatschekDorotheergasse 16, 1010 Wien

Vortrag zu den multilateralen Verwerfungen im Zuge des Krieges in der Ukraine.

Hans Georg Lüber, derzeit Senior Advisor für den Vorsitz der OSZE in Wien hielt am 8. Oktober 2024 im Rahmen einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Soldaten im Österreichischen Bundesheer (AGES) einen informativen Vortrag zum Russland-Ukrainekrieg und den Möglichkeiten von friedlichen Lösungswegen. Zu dem Vortrag mit anschließender Diskussion im Gemeindesaal der Reformierten Stadtkirche in Wien fanden sich der ranghöchste Militär des Bundesheeres Generalstabschef Rudolf Striedinger sowie der Evangelische Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner und Oberst Harald Hasenmayer als Moderator des Abends ein. Es folgen einige Auszüge aus dem Vortrag. Red.

OSZE – runder Tisch für 57 Nationen

Mit der steigenden Anzahl militärischer Konflikte wachsen auch die politischen und diplomatischen Bemühungen dem Dämon des Krieges beizukommen. Das sind schwierige Verhandlungen, die viel Geduld, Durchhaltewillen und Frustrationstoleranz fordern. Die wichtigste Voraussetzung zum Erfolg diplomatischer Bemühungen ist ein konstruktiver politischer Wille aller involvierten Parteien. Dieser Wille ist zuerst genährt von nationalen Interessen. Wenn es gelingt verständlich zu machen, dass kollektive Sicherheit auch den nationalen Interessen dienlich ist, dann sind wir auf einem guten Weg. Wenn es an gegenseitigem Vertrauen mangelt, haben wir Probleme. Die OSZE in Wien ist der letzte Ort in Europa, wo noch regelmäßig, d.h. mehrmals wöchentlich, die Staaten der NATO, die Ukraine, alle EU-Staaten, die Russische Föderation und Staates des zentralasiatischen sowie des südkaukasischen Raumes an einem Tisch sitzen und miteinander den Dialog führen können.

Zurück zur Big Power Competition

Wir sind in einem anderen geopolitischen Aggregatzustand als in den 90er Jahren. Der politische Wille zu kooperativer Sicherheit ist kaum mehr spürbar. Die 57 Teilnehmerstaaten der OSZE treffen sich regelmäßig, tauschen sich aus und entscheiden immer einstimmig. Das funktioniert nur, wenn alle Staaten mit gutem Willen und konstruktiv gemeinsame Interessen suchen und Kompromisse zu schmieden bereit sind. Es braucht nur einen einzigen Staat als Spielverderber, um den Konsens zu verunmöglichen. Faktisch haben alle 57 Staaten ein Vetorecht. Der Konsens ist aber das Symbol der kooperativen Sicherheit. Auch die Implementierung abgemachter Maßnahmen erfordert erneut den politischen Willen aller. Fehlt dieser, entfalten die Maßnahmen wenig bis keine Wirkung. Sie fragen sich zurecht, weshalb wir dann bei der OSZE meistens nur politisch Bindendes und nicht rechtlich Bindendes entscheiden. Kurze Antwort: Weil es das Beste ist, was wir kriegen können.

„Soft Security“

Die OSZE setzt allein auf vertrauensbildende Maßnahmen, der Versicherung, dass ein Nachbar nicht angreift. Intrusive Mittel, militärisch robuste Friedensförderung, sind im OSZE-Kontext nicht denkbar. Was bringt „Soft Security“? Risikoreduktionsmaßnahmen, Transparenz und Verifikation bringen im heißen Krieg nicht viel. Die OSZE ist ein Kind des kalten Krieges! Was wir aber können, ist auch in der heißesten Phase einen Ort zu bieten, wo man miteinander spricht. Unsere Plattform kann man dazu nutzen, um parallel zum Krieg Schritt für Schritt auf einen Waffenstillstand oder Friedensvertrag zuzugehen. Aktuell zeigen die politischen Wegweiser in den meisten OSZE-Staaten verständlicherweise auf „Wiedererlangung der Verteidigungsfähigkeit“, d.h. auf Aufrüstung. Neue, kreative Ideen sind in der OSZE gefragt. Rüstungskontrolle muss auch in Zeiten von bewaffneten Konflikten – genau wie das humanitäre Völkerrecht – Relevanz gewinnen. Wenn wir dadurch während des Krieges die Voraussetzungen für ein besseres „nach dem Krieg“ schaffen könnten, wäre schon viel erreicht.

It’s about people

Die Frage nach der Zukunft der OSZE ist gestellt. Es gibt jene, die sagen, dass die Europäische Sicherheitsarchitektur gescheitert sei und völlig neu gedacht werden müsse. Andere sagen, dass wir uns nicht in einer Existenzkrise, sondern in einer Implementierungskrise befinden. Es wird kaum genügen, nur einen Waffenstillstand zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine zu finden. Es muss größer gedacht werden, sonst kehrt das Problem früher oder später mit Sicherheit zurück. Warum soll es mit Russland nicht auch Modelle geben die funktionieren? Die OSZE ist nebst Begegnungs- und Dialogplattform auch eine Art Think Tank für solche Modelle. Ich möchte schließen mit dem Jahresmotto des letztjährigen Nordmazedonischen OSZE Vorsitzes: „It’s about people!“ Es geht um Menschen, die in Europa in Frieden zusammenleben möchten. Mein evangelische Glaube ist mir bei all dem eine wertvolle Stütze bei meiner Arbeit.

Hans Georg Lüber
Schweizer Generalstabsoberst
Ehrenritter des Johanniterordens
in Wien

Präsident der Johanniter
Hilfsgemeinschaft

Foto: Vortragabend mit 60 hoch interessierten Besucherinnen und Besuchern.
V.l.n.r. auf dem Foto zu sehen sind Pfr. Harald Kluge, Vizeleutnant Hubert Kobald, Evangelischer Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner, Oberst Harald Hasenmayer, Oberst im Generalstab und OSZE Senior Advisor Hans Georg Lüber und Generalstabchef Rudolf Striedinger. Foto: Christoph Hatschek