Ausgesprochen christlich

First Presbyterian Church in Jamaica“, Queens. Erbaut 1662, restauriert 1813 und 1920.

Reformierte Kirchen in den gesellschaftlichen Spannungen der USA

„Er war einfach nur eine jüngere Version desjenigen, der er heute ist“ – so beschreibt eine Mitschülerin aus der „Sunday school“ den jugendlichen Donald Trump. Heute noch ist sie Mitglied der presbyterianischen Gemeinde, in der der spätere amerikanische Präsident sich auch konfirmieren hat lassen. In einer Gemeinde der reformieren Tradition, ursprünglich gegründet im Jahr 1688 von schottischen Einwanderern, im Stadtviertel Jamaica in Queens. Heute ist die „First Presbyterian Church of Jamaica“ eine bunte Gemeinschaft; die meisten ihrer Mitglieder sind Immigranten der ersten Generation, nicht wenige von ihnen aus dem anderen Jamaica, dem in der Karibik.

Multiethnische Gemeinde

Donald Trump, der Politiker, wäre nicht mehr denkbar als Mitglied dieser Gemeinde, davon ist der heutige Pfarrer Patrick O’Connor, ungeachtet seines irischen Namens ein Afroamerikaner, überzeugt. Jamaica ist nicht mehr die „neighborhood“ des weißen Mittelstands, sondern ein multiethnischer Stadtteil, der stolz ist auf seine Diversität. Für die Gemeinde gehört ganz selbstverständlich zum christlichen und reformierten Auftrag dazu, nicht nur offen für Menschen jeder Herkunft zu sein, sondern sich auch klar gegen die Migrationspolitik von Donald Trump, solange er Präsident war, zu stellen. Nicht nur das: man ist auch stolz auf die guten Beziehungen zu den muslimischen Nachbarn. Auch nicht etwas, das mit den Einreiseverboten ihres früheren Mitglieds gegen Menschen aus muslimischen Ländern zusammenpasst.

Donald Trump hat nach seiner Konfirmation Wohnort und Gemeinde gewechselt, ist aber der reformierten Kirche treu geblieben. Als junger Immobilienentwickler besuchte er die „Marble Collegiate Church“ in Manhattan, einer Kirche der „Reformed Church of America“ (RCA). Der Pfarrer dort, Norman Vincent Peale, Verfasser des Bestsellers „Die Kraft des positiven Denkens“, war Vertreter der theologischen Richtung der „Prosperity Gospel“, des Evangeliums des persönlichen Gedeihens, das aber dann auch mit materiellem Wohlstand einhergeht. Zweifelsohne war ein aufstrebender (Möchtegern-)Tycoon wie Donald Trump dort gut aufgehoben.

Non-denominational

Kurz vor der amerikanischen Präsidentenwahl im letzten Herbst hat sich Donald Trump von der Reformierten Kirche losgesagt: Er sei zwar presbyterianisch aufgewachsen, sehe sich jetzt aber als „non-denominational“, also als Christ ohne eindeutige konfessionelle Zuordnung. Er folgt einem Trend in der kirchlichen Landkarte der USA, in der sich immer mehr Christinnen und Christen nicht festlegen lassen wollen durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten traditionellen Konfession. Das ist allerdings nur bedingt schlüssig, sind doch die meisten „non-denominational churches“ eindeutig evangelikal geprägt und damit auch an eine bestimmte Bekenntnistradition gebunden. Da gerade dort das Wählerinnen- und Wählerpotential für Donald Trump beträchtlich ist, war sein Schritt wohl auch nicht nur aus einem spirituellen Bedürfnis heraus motiviert.

Kaum kritische Stimmen

Es schmerzt ein wenig, dass die etablierten und aus einer reichen gesellschaftspolitischen Tradition schöpfenden reformierten Kirchen wie die Presbyterian Church of USA oder die Reformed Church of America sich zu den Entwicklungen und Zuständen in der amerikanischen Gesellschaft während der letzten Präsidentschaft nur sehr wenig geäußert haben. Auch zu den Gewalttätigkeiten vor und im Kapitol in Washington am 6. Jänner gibt es keine nennenswerten Kommentare. Das wird offensichtlich anderen Kirchen überlassen.

Von der Kanzel in den Senat

Rafael Warnock, ursprünglich aus der Pfingstkirche kommend und heute baptistischer Pfarrer in Atlanta, Georgia, gehört zu den Proponenten einer Kirche, die sich zu Wort meldet. Er hat es auch in die internationalen Medien geschafft als Kandidat für einen Sitz im Senat. Die ihm entgegen gebrachte Aufmerksamkeit verdankt er natürlich der Tatsache, dass er und ein weiterer liberaler Kandidat aus Georgia nun das sprichwörtliche „Zünglein an der Waage“ für die Machtverhältnisse zugunsten der Demokratischen Partei im Senat sind. Allerdings hat Warnock auch vor seiner Wahl schon Profil gezeigt. Selbst in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen ist für ihn das Evangelium ein „Social Gospel“. Theologisch geprägt wurde er besonders als Doktoratsstudent am „Union Theological Seminary“ in New York, an dem schon seit der Zwischenkriegszeit bewusst die christliche Botschaft mit den sozialen Herausforderungen der Zeit in Beziehung gesetzt wird. Das „Social Gospel“ war damals eine Stimme für die durch die Weltwirtschaftskrise unter die Räder Geratenen. Auch heute hat Union Seminary eine eigene Professur für „christlichen Aktivismus“, und es wundert nicht, dass u.a. die deutsche Theologin Dorothee Sölle lange Jahre dort Professorin war.

Rafael Warnock ist als Pfarrer unter anderem durch seinen Einsatz für eine allgemeine Krankenversicherung (und seinen Protest gegen die diesbezüglichen Verschlechterungen unter der Trump-Administration) hervorgetreten. Bei einer Protestveranstaltung vor dem Kapitol von Georgia wurde er von Sicherheitsleuten in Handschellen abgeführt. Nach seiner Wahl hat er daher gemeint: „Mein nächstes Mal in Polizeibegleitung wird der Moment sein, in dem man mir mein neues Büro im Senat zeigt.“ Aus seiner christlich verantworteten politischen Aktivität ist er zu einem der Hoffnungsträger der Nach-Trump-Ära geworden. Dabei, hat er einmal gemeint, wird ihm auch seine Erfahrung als Gemeindepfarrer helfen, denn: „Wer es geschafft hat, Anhängerinnen und Anhänger traditioneller Kirchenlieder mit denen von moderner Gospelmusik zusammenzubringen, der schafft das auch mit Demokraten und Republikanern.“

Johannes Wittich
Pfarrer Wien-Süd