Als das Südburgenland reformiert war

Im heurigen Jahr des 500. Reformationsjubiläums scheint es angebracht, auch einigen weniger bekannten Spuren der Reformation in unserem Land nachzugehen.

So erreichte die Reformation das westungarische Flachland, d.h. Teile des heutigen Burgenlands, um die Jahre 1550–1560. Die maßgeblichen evangelischen Grundherren, Franz Nádasdy im Mittel- und Balthasar Batthyány im Südburgenland, sorgten ab 1570 für die Errichtung von Pfarrgemeinden in ihren Herrschaftsbereichen und stellten Pfarrer ein. Zum Beispiel sind in Oberwart ab 1576 die Namen aller Pfarrer bekannt. Unter diesen neu eingesetzten Pfarrern waren Anhänger beider evangelischen Glaubensrichtungen, also sowohl Lutheraner als auch Reformierte. Auch die Herkunft der Pfarrer war vielfältig: Ungarn, Österreich, Böhmen, Kroatien, Krain, Deutschland. Bunt war auch die sprachliche Zusammensetzung der Gemeinden: Es gab deutsche, ungarische, kroatische und slowenische Gemeinden. Die Kroaten waren eigentlich Katholiken aus Bosnien, die vor den Türken geflohen waren, aber nach dem Patronatsrecht der Religion des Grundherrn folgen mussten. 1576 wählte die Synodale Versammlung, der nur Pfarrer angehörten, den lutherischen Hofgeistlichen von Franz Nádasdy, Matthäus Szegedi, zu ihrem Bischof. Diese gemeinsame lutherisch-reformierte Diözese bestand aus fünf reformierten und vier lutherischen Senioraten. Von den beiden evangelischen Grundherren war Franz Nádasdy lutherisch und Balthasar Batthyány reformiert gesinnt.

Balthasar Batthyány

Die Reformierten erlebten ihre Blütezeit zur Zeit von Balthasar Batthyány. Er war militärischer Oberbefehlshaber von Westungarn, bedeutend aber wegen seiner Gelehrsamkeit. Seine reformierte Einstellung hatte Batthyány während seiner Pariser Studienzeit aufgrund der Begegnung mit den reformierten Hugenotten gewonnen. In dem vormaligen Güssinger Franziskaner Kloster errichtete er eine Grundschule, und er gewährte dem evangelischen Wanderdrucker Johann Manlius eine neue Wirkungsmöglichkeit.

Balthasar Batthyány holte 1576 den Ödenburger ungarischen Pfarrer Stephan Beythe als seinen Hofgeistlichen nach Güssing. Beythe war ein gelehrter Theologe, Autor zahlreicher theologischer Bücher. Theologisch neigte Beythe einer Vermittlungstheologie zwischen lutherischer und reformierter Lehre zu. So gestattete er z.B. beim Abendmahl die Verwendung von Brot als auch Hostien, obwohl er selbst Brot bevorzugte.

Bruch zwischen Reformierten und Lutheranern

Nach dem Tod von Matthäus Szegedi wählten die Pfarrer des gemeinsamen Kirchendistrikts im Jahr 1585 Stephan Beythe zu ihrem Bischof. Der neue Bischof berief 1587 eine Synode ein, die sich überwiegend mit der Aufgabe und Rolle der Pfarrer befasste und bekräftigte, dass „sie an dem von der Kirche angenommenen wahren Bekenntnis festhalten, dass Christus unser einziges Heil ist.“ Diese allgemein gehaltene Formulierung passte jedoch vielen lutherischen Pfarrern nicht, besonders jenen nicht, die Anhänger des Jenaer Professors Matthias Flacius waren, der die These aufgestellt hatte, dass es in Glaube und Kirche keinerlei „Nebensächlichkeit“ (Adiaphora) geben dürfe. Sie drängten auf ein klärendes Streitgespräch, das 1591 in Csepreg stattfand unter der Anwesenheit von Franz Nádasdy. Das Streitgespräch befasste sich hauptsächlich mit der Frage des Wie der Gegenwart Christi im Abendmahl. Nach dem kontroversen Gespräch strebte die lutherische Seite eine eigenständige kirchliche Organisation an. Beythe bemühte sich vergeblich um eine Versöhnung und um die Beibehaltung der Einheit. 1595 hielten die beiden Glaubensrichtungen getrennte Synoden; die lutherische Seite baute eine eigene Organisation auf und verabschiedete eine eigene Kirchenordnung und Agende. Allerdings wählten sie einen eigenen Bischof erst nach dem Tod von Stephan Beythe.

Gründung des Kirchendistrikts

Nach dem Tod von Balthasar Batthyány setzte sein Sohn Franz die Religionspolitik seines Vaters fort. Damals, zu Beginn des 17. Jahrhunderts, litten die Gemeinden des Südburgenlands besonders stark unter den Verwüstungen durch türkische Streifzüge und 1605 unter dem Feldzug des siebenbürgischen Fürsten Stephan Bocskai, bei dem Güssing niedergebrannt wurde.

Nach dem Tod von Stephan Beythe 1612 wählte die reformierte Synode Stephan Pathai, den Pfarrer von Rechnitz, zu seinem Nachfolger. Diese Synode bedeutete zugleich auch die Geburtsstunde des reformierten Kirchendistriktes jenseits der Donau. Mit Pathai begann der streng reformierte Konfessionalismus, der in der Abendmahlsfrage kein Entweder-Oder – d.h. entweder Hostie oder Brot – mehr erlaubte, sondern anstatt einer Hostie nur Brot duldete. Die Synode fasste auch organisatorische Beschlüsse: Die Autorität des Bischofs und der Senioren wurde gestärkt, die Kirchenzucht präzisiert und die 147 Gemeinden in sechs Seniorate eingeteilt. Die 27 Gemeinden auf den Batthyánischen Gütern im Südburgenland, von denen 15 deutsch und 5 kroatisch waren, gehörten nun dem Seniorat Güssing an.

Nur Brot – keine Hostie

Das streng reformierte „nur Brot“ löste besonders bei den lutherisch gesinnten Pfarrern starken Unmut aus, umso mehr, als Franz Batthyány Anfang des 17. Jahrhunderts rund 1000 lutherische Flüchtlinge mit ihren Pfarrern aus der Steiermark aufgenommen hatte, die aber gemäß dem Patronatsrecht der reformierten Synode angehören mussten. Franz Batthyány versuchte, die lutherisch gesinnten Gemeinden zu besänftigen, indem er den gelehrten Albert Szenci-Molnár, der Calvins „Institution“ und die Genfer Psalmen ins Ungarische übersetzt hatte, als deutschen Pfarrer in Rechnitz und Schlaining einsetzte, und die Synode selbst wählte 1624 einen deutschen, d.h. lutherisch gesinnten Senior.

Presbyterium als Fundament

Der Nachfolger von Bischof Pathai wurde 1629 der Güssinger Hofgeistliche Johann Kanizsai-Pálfi. Typisch für den Zustand der reformierten Diözese war, dass die Zahl der Gemeinden um ein Viertel zurück gegangen war und zur Wahlsynode neben den 64 ungarischen nur noch sechs deutsche und ein kroatischer Pfarrer erschienen. Bischof Kanizsai bemühte sich darum, Calvins kirchliche Organisationsstruktur – mit dem aus Laien bestehenden Presbyterium – zu realisieren, um die Autonomie der Kirche zu stärken. So entstand das erste Presbyterium in Ungarn 1617 in Pápa und 1626 in Güssing.

Oberwart blieb frei

Die düstere Zeit für die Reformierten im Südburgenland begann 1629, als der Sohn von Franz Batthyány, Adam, aus machtpolitischen Gründen rekatholisierte. Er holte Jesuiten ins Land, die in kurzer Zeit 70 Gemeinden „umdrehten“. 1633 verwies er Bischof Kanizsai aus Güssing und ab 1634 duldete er keinen reformierten Pfarrer mehr in seinem Herrschaftsbereich. Das war das Ende der reformierten Kirche im Südburgenland. Allein die Gemeinde Oberwart existierte weiter und konnte sich gegenüber dem doppelten Druck behaupten, einerseits dem der Zwangsrekatholisierung und andererseits dem der Batthyánischen Bemühungen, Oberwarts Freiheitsrechte zu annullieren und es seinem Herrschaftsbereich einzuverleiben. Die Oberwarter Gemeinde ist somit die einzige evangelische Gemeinde in Österreich, die ohne Unterbrechung seit der Reformation besteht, ausgenommen die zehn Jahre währende „ Trauerdekade“ radikaler Verfolgung zwischen 1673 und 1683.

BALÁZS NÉMETH