1918 – 1938 – 1968

1918, Ausrufung der Republik © Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung

Ein Jahr des Gedenkens und der Jubiläen

Vor einem Jahr standen die evangelischen Kirchen in Österreich, in Europa und weltweit ganz im Zeichen des Reformationsjubiläums. In diesem Jahr stehen wir vor weiteren Jubiläen bzw. Gedenkanlässen, die für Österreich eine besondere Bedeutung haben.
Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg und damit auch die Herrschaft der Habsburger, und es entstand die Erste Republik. Wir gedenken heuer des Anschlusses Österreichs an Hitlerdeutschland vor 80 Jahren und damit seiner Eingliederung ins Dritte Reich. Für die folgenden Jahre sollte es nur noch die Ostmark geben.
Vor 50 Jahren gab es eine kleine Revolution, die frischen Wind ins Land brachte und als 68-er Bewegung in die Österreichische Geschichte einging.
Drei markante Daten, die das Land veränderten, aber auch auf die Evangelischen Kirchen Einfluss hatten.

100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges und Gründung der 1. Republik

Der Erste Weltkrieg endete für Österreich in einem Fiasko. Die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie und das Deutsche Kaiserreich gehörten zu den Verlierern des Krieges und mussten in Friedensverträgen große Teile ihrer Territorien an die Siegermächte abtreten. Damit stand auch die weitere Existenz der Evangelischen Kirche H.B. auf dem Spiel. Von den zahlreichen Gemeinden der Monarchie verblieben nur noch Wien und Bregenz im neu entstandenen Österreich. 1918 war trotz Armut und Verzweiflung ein Jahr des Aufbruchs, in dem ein neuer Staat, zuerst Deutsch¬ österreich, als demokratische Republik gegründet wurde.

1938, Hitler am Heldenplatz © Wikimedia, Privatsammlung H. Blair Howell

80 Jahre Anschluss

20 Jahre später stand die Welt neuerlich am Vorabend eines Weltkrieges. Der deutsche Reichskanzler Adolf Hitler ließ keinen Zweifel daran, dass er die demütigenden Friedensverträge nach dem ersten Weltkrieg nicht akzeptieren wollte. Die Evangelische Kirche hatte sich in den Jahren zuvor konsolidiert. Vor allem in der Zeit des Austrofaschismus durfte sie sich über regen Zulauf freuen. Es gab regelrecht eine Übertrittswelle aus der Römisch-Katholischen Kirche. Im März 1938 begrüßten nicht nur viele Österreicher sondern auch überproportional viele Evangelische den Anschluss bzw. die Besetzung Österreichs durch Hitlerdeutschland. Die Pfarrer der Reformierten Kirche waren zwar nicht direkt Gegner der Nationalsozialisten, aber sie waren nicht so euphorisch wie manche lutherische Kollegen, die den Einmarsch wie die Ankunft des Messias feierten. Nach den Jahren der Diskriminierung durch die katholische Regierung war die Parole: „Heim ins Reich“ durchaus verständlich. Die Kirchen in Österreich und Deutschland wollten nicht glauben und nicht begreifen, dass Hitler kein wirkliches Interesse am Fortbestand des christlichen Glaubens hatte. 1938 markiert auch den Beginn einer Schuldgeschichte der Kirchen. Viele Christinnen und Christen waren wie das Gros der Bevölkerung entweder antisemitisch oder Mitläufer, die ihre jüdischen Mitbürger im Stich ließen. Die Evangelische Kirche hat nach dem Krieg noch über 20 Jahre gebraucht, um ein erstes Schuldbekenntnis abzulegen. Heuer ist es 20 Jahre her, dass die Generalsynode die Erklärung: „Zeit zur Umkehr“ verabschiedete, durch die das Versagen der Kirchen nochmals sehr klar ausgesprochen wurde.

Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sah sich die Politik als Opfer der Nazis und nicht als Mittäter, als hätten sie mit den unvorstellbaren Verbrechen bis hin zur Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden nichts zu tun.

Die 68-er in Wien, Studentendemonstration © www.picturedesk

50 Jahre 68-er Bewegung

Vor 50 Jahren, im Mai 1968, wurde noch nicht die Vergangenheit ernsthaft aufgearbeitet, aber verkrustete Strukturen brachen auf. Vor allem die Studentenbewegung lehnte sich gegen eine konservativ-autoritär geprägte Nachkriegsgesellschaft auf. 1968 ist das Jahr, das in der westlichen Welt symbolträchtig für den Wunsch nach Veränderung steht. Die Protestbewegung erfasste am Rande auch die Evangelische Kirche H.B. Es war die Zeit, in der die Reformierte Kirche neue Initiativen setzte auf dem Gebiet der Ökumene, der Kunst und der Gesellschaftspolitik. In der Folge der Bewegung wurde die Frauenordination eingeführt und das Jugendwerk gestärkt. So gesehen hat die 68er Bewegung auch zur Demokratisierung und zu mehr Gleichberechtigung in der Kirche beigetragen.

Jubiläen und Gedenkjahre sind nicht nur dazu da, etwas in Erinnerung zu rufen, auf Ereignisse dankbar zurück¬ zublicken oder sie zu beklagen und die eigene Schuld einzugestehen, sondern sie sollen dazu genutzt werden, daraus etwas für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen und mitzunehmen. So wollen wir in diesem Jahr einzelne Gedenktage näher beleuchten und Impulse geben, was wir als Christinnen und Christen und als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bedenken können, was vielleicht für unsere Zukunft nützlich sein kann.

THOMAS HENNEFELD